Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit
Kornrationen der Ente Sindbad, sie wurde wunderbar fett und zahm und stellte sich deutlich darauf ein, mit nach Amerika zu kommen.
Mit dem zurückkehrenden Wind schien sich die Ra II noch mehr aus dem Wasser zu erheben, und es sah aus, als würde das riesige, windgeblähte Rahsegel das Vorderdeck hochheben. Und als die Ra II in der frischen Brise zum Leben erwachte, begann sie sofort, das Versäumte aufzuholen. Mit einer Geschwindigkeit von 60, 70 und 80 Seemeilen, von 110, 130, 150 Kilometern pro Tag, trug sie uns über den offenen Atlantik.
Bald wurde der Tagesablauf zur Routine. Wir ließen uns Zeit, sangen und lachten. Nichts zu reparieren. Angenehme Steuerwachen. Gutes Essen aus Tonkrügen. Keine Rationierung. Vier hervorragende Köche. Jeder Pharao hätte uns um Georges' gewürzte ägyptische Gerichte beneidet, keine Geisha konnte Kei in der Kochkunst schlagen. Madanis pikantes Rezept »Pökelfleisch mit Zwiebeln und Öl a la Berber« und Carlos unermüdliche Bereitschaft, etwas Gutes aufzutischen, wenn die anderen sich nicht freiwillig meldeten, das alles trug dazu bei, uns den Eindruck zu vermitteln, wir würden mit einer Fahrkarte für die Erste Papyrusklasse über die Wellen jagen.
Wenn das Segel das Boot am Abend mit Schatten füllte, saßen sieben Mann, braun, bärtig und froh auf der Bank um den leeren Hühnerkäfig und aßen, und der achte Mann stand auf der Brücke und drehte, die sinkende Sonne als Wegweiser, an dem dicken Ruderschaft. Der Kompaß zeigte nach Westen. Die Sonne schickte ihre allerletzten Strahlen wie einen Pfauenschwanz aus dem Meer vor den Nacken unseres goldenen Papierschwanes, der vorwärtsstampfte, dem unsterblichen Sonnengott Ra des Altertums und der Gegenwart dicht auf den Fersen. Und dann trat der Große Bär mit dem Polarstern genau auf Steuerbord hervor. Gute Freunde. Ein Teil unserer kleinen Welt; wir kannten alles sehr gut vom vorigen Jahr. Frische Abendbrise. Wir mußten lange Hosen und Pullover anziehen. Madani ähnelte mit seinem marokkanischen Kaftan mit spitzer Kapuze einem mittelalterlichen Mönch, wenn er sich als Silhouette gegen den Tropenhimmel auf das Dach legte und sich im Gebet zu Allah tief verbeugte. Ein ungewöhnlich freundlicher und gutmütiger Reisegefährte. Er war anstelle von Abdullah als farbiger Vertreter Afrikas mitgekommen. Er war nicht ganz so rabenschwarz wie Abdullah, aber er gehörte zu dem dunkelsten Typus der Berber. Abdullah hatten wir als einzigen des Ra-I-Teams unglücklicherweise an der Startlinie in Safi drei Tage vor dem Start verloren. Seit einem Jahr war er Flüchtling aus dem Tschad, wo jetzt blutige Auseinandersetzungen zwischen seinen mohammedanischen Glaubensgenossen im Norden und einer christlichen Negerregierung, unterstützt von der französischen Fremdenlegion, im Gange waren. Abdullah wurde immer unruhiger; eine Frau hier und eine Frau dort und geographische Hindernisse standen einem geordneten Familienleben im Weg. In einer Hand ein Foto von drei herrlichen Negerkindern im Tschad, in der anderen ein Telegramm, daß seine neueste Lieblingsfrau jetzt, genau jetzt, in Kairo einer Tochter das Leben geschenkt hatte. Wer sollte in diese Schar Ordnung bringen, wenn Abdullah wieder mit einem Papyrusschiff in See stach? Leb wohl, Abdullah, wir werden dich alle vermissen. Kaum war Abdullah zur Tür hinaus, als Madani Ait Ouhanni bescheiden lächelnd hinter dem Schalter unseres Hotels hervorkam. Ob er mitfahren dürfe? Er war neuernannter Geschäftsführer einer großen chemischen Fabrik in Safî, die eben den Hotelbetrieb übernehmen sollte. Nun wurde er von sieben reisefertigen Gästen, die für die Ozeanüber-querung als Ersatz für Abdullah einen echten Afrikaner brauchten, aus dem Hotel entführt.
Madani kannten wir seit drei Tagen. Kei hatte niemand von uns zuvor gesehen. Einer meiner schwedischen Freunde fuhr gerade nach Tokio, um über einen Austausch von Fernsehprogrammen zu verhandeln. Ich hatte ihn gebeten, mir einen japanischen Kameramann mit freundlichem Gemüt und guter Gesundheit zu empfehlen. Kurz darauf trollte der kleine, stämmige Kei Ohara durch den Hoteleingang in Safî, vollbeladen mit seiner Kameraausrüstung, und strotzte vor Lebensfreude, Musik und Judomuskeln. Erfahrungen auf See? Eine Motorbootfahrt in der Bucht von Tokio. Und dann hatte er für einen Filmauftrag Indianer mit ihren Schilfbooten am Titicacasee verewigt.
»Und du, Madani?« fragte Norman leicht besorgt.
»Ich habe mal an einer Angeltour vor
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