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Exponentialdrift - Exponentialdrift

Titel: Exponentialdrift - Exponentialdrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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Nicht einfach zu erklären. Es ist natürlich ein Begriff aus unserer Welt, in menschlicher Sprache nachgeahmt. Ich muß Ihnen die Hintergründe nahebringen, ohne die Denksphäre der Menschen zu verlassen, deswegen werden Sie wahrscheinlich mehrere Anläufe benötigen, um in vollem Umfang zu begreifen.« Er überlegte eine Weile. »Sie kennen den Begriff ›Kontinentaldrift‹, nehme ich an? Die Platten der Kontinente, die sich unmerklich, aber unaufhaltsam gegeneinander bewegen? Haben Sie dieses Bild?«
    Abel nickte.
    »Gut.« Borsa lehnte sich zurück, richtete den Blick auf den grau verhangenen Himmel. »Die Menschen wissen seit langem, daß ihre Sonne ein Stern ist und die Erde einer von neun Planeten, die ihn umkreisen. Seit sie das wissen, fragen sie sich, ob auch andere Sterne Planeten besitzen oder ob ihr Sonnensystem einzigartig im Universum ist. Jahrhundertelang haben sie sich das gefragt – bis zum Jahr 1995. Damals entdeckte ein gewisser Michael Mayor von den Universität Genf zusammen mit Didier Queloz, daß der Stern 51 Pegasi b einen massereichen Begleiter hat, der keine Sonne ist. Damit war der erste Planet außerhalb des Sonnensystems gefunden. Doch die Menschen hörten nicht auf, zu suchen. Heute, im Februar des Jahres 2002, kennen sie insgesamt 77 extrasolare Planeten. Es handelt sich dabei allesamt um gewaltige Gasriesen, größer als der Planet Jupiter, denn um kleinere Planeten entdecken zu können, sind die Methoden noch nicht fein genug, aber immerhin. Die Frage ist beantwortet.« Er sah Abel an. »Aber jetzt frage ich Sie: Werden die Menschen sich mit dieser Antwort zufriedengeben? Oder werden sie weitersuchen? Können Sie sich vorstellen, daß sie aufhören werden, ehe sie einen erdähnlichen Planeten gefunden haben?«
    »Nein«, sagte Abel, ohne zu zögern.
    »Sie werden nicht aufhören, nicht wahr? Undenkbar. Sie werden größere Teleskope bauen und noch größere und immer weiter suchen, bis sie eine zweite Erde entdecken. In vielleicht zehn, fünfzehn Jahren werden die Menschen wissen, wo da draußen ein bewohnbarer Planet um eine ferne Sonne kreist.« Borsa unterbrach sich und wartete, bis eine Spaziergängerin mit einem kleinen Hund an der Leine vorüber war, ehe er weitersprach. »Und jetzt frage ich Sie wieder: Ist es vorstellbar, daß sie nicht versuchen werden, dorthin zu gelangen?«
    Abel sah nachdenklich ins Leere. Er konnte spüren, wie die bloße Vorstellung einer zweiten, leeren Welt eine Spannung in ihm auslöste, die der einer sexuellen Lockung nicht unähnlich war. »Es wäre schwer, die Entfernungen zu überwinden«, sagte er.
    »Natürlich wäre es schwer. Aber das war nicht die Frage. Die Frage war, ob Sie glauben, daß die Menschen das Vorhaben, diese zweite Erde zu erreichen, jemals endgültig aufgeben werden.«
    Abel schüttelte den Kopf. »Nein.«
    »Nicht wahr? Es mögen tausend Jahre vergehen oder zweitausend, vielleicht auch nur fünfhundert oder hundert, aber zu wissen, daß dort draußen ein erdähnlicher, unberührter Planet wartet, wird die Menschen niemals ruhenlassen. Daß der Weg dorthin schwierig ist, wird sie nur um so mehr anstacheln. Sie werden keine Opfer und keine Mühen scheuen, bis der erste von ihnen seinen Fuß auf den Boden jener Welt setzt.« Borsa sah wieder in den Himmel, als könnte er den Stern, von dem die Rede war, bereits ausmachen. »Und wenn sie den Planeten erforscht und besiedelt haben, was denken Sie? Werden sie es damit gut sein lassen, oder werden sie nach weiteren Welten suchen?«
    Abel sah ihn an, mit jenem Gefühl unaufhaltsamnahenden Verstehens, wie er es schon einmal gespürt hatte. Die Worte Borsas hatten etwas in ihm losgetreten.
    Der Fremde klopfte ihm wohlwollend auf die Schulter. »Denken Sie darüber nach, Koairin .« Damit stand er auf und ging.
    Fortsetzung folgt ...

5. März 2002
Der amerikanische Präsident George W. Bush kündigt hohe Einfuhrzölle auf Stahl an, um die heimische Stahlindustrie zu schützen. Die Europäische Kommission legt scharfen Protest ein.
    6. März 2002
Zwei deutsche und drei dänische Soldaten sterben in Kabul bei dem Versuch, eine SA3-Boden-Luft-Rakete russischer Bauart zu entschärfen. Der Unfall ist nach Untersuchungen von Experten auf grobe Fahrlässigkeit und mangelhafte Ausbildung zurückzuführen.

FOLGE 24
    E VELYN ABEL BETRAT das Restaurant, ihre Handtasche wie einen Schutz an sich gepreßt, sah sich um, entdeckte ihn nirgends und hoffte schon, daß er es sich anders überlegt

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