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Exponentialdrift - Exponentialdrift

Titel: Exponentialdrift - Exponentialdrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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eine der renommiertesten Zeitungen der Welt zu verantworten hat. Es gehört Mut dazu, einem mäßig bekannten und mit den Erwartungen traditioneller Feuilletons eher inkompatiblen Schriftsteller eine solche Sache anzuvertrauen – ich dagegen hatte nichts zu befürchten. Im schlimmsten Fall hätte ich einen Roman vorgelegt, den das Publikum nicht mag, und dieses Risiko geht man mit jedem Buch ein, das man veröffentlicht.
    An jenem Dienstag nachmittag in Schirrmachers Büro war ich aber einfach nur fasziniert von den sich abzeichnenden Möglichkeiten. Es kam mir vor wie ein Wunder. Wenige Wochen zuvor hatte ich mir gewünscht, einmal einen richtigen, echten Fortsetzungsroman zu schreiben, und nun wurde mir die Chance dazu auf dem silbernen Tablett serviert!
    »Und wie lange soll das gehen?« fragte ich.
    »Solange Sie wollen.«
    »Passen Sie auf, was Sie sagen«, erwiderte ich.
    Nein, meinte Schirrmacher, wenn es nach ihm ginge, dürfe der Roman zehn Jahre lang laufen.
    »Warum nicht zwanzig?« hakte ich nach. (Wie Leser meiner Bücher nicht umhin kommen zu bemerken, neige ich bisweilen zu Extremen.)
    »Von mir aus auch zwanzig«, sagte er.
    So verabschiedeten wir uns voneinander: Mit dem Entschluß, gewissermaßen die »Lindenstraße« des Science-Fiction-Zeitungsromans in die Welt zu setzen. Und wir waren uns einig, daß, wie immer es laufen mochte, es auf jeden Fall eine interessante Erfahrung werden würde.
3
Die Vorbereitungen
    B EREITS IM ZUG zurück nach Stuttgart entwarf ich die ersten Konzepte, auf der Suche nach einer passenden Grundidee. Und ich merkte bald, daß das alles andere als einfach war.
    Das Konzept, das ich mir vorgenommen hatte, setzte dem, was eine passende Grundidee sein konnte, nämlich enge Grenzen. Da ich vorhatte, auf tagesaktuelle Ereignisse Bezug zu nehmen, brauchte ich eine sich langsam entwickelnde Handlung. Sprich, nach einem Jahr Lesezeit mußte auch in der Geschichte ein Jahr vergangen sein, ungefähr wenigstens. Man mochte hier und da gegen die Echtzeit zurückfallen, aber dann würde man wieder aufholen müssen. Da ich den Ehrgeiz hatte, auf jeden Fall nicht derjenige zu sein, der das Handtuch warf, brauchte ich außerdem eine Geschichte, die das Potential für eine Jahre oder Jahrzehnte dauernde Handlung hatte.
    Außerdem sollte sie in Deutschland spielen. Spannend sollte sie sein. In kleine, in sich packende Stücke zerlegbar mußte sie sein. Ach ja, und natürlich sollte es eine Geschichte mit einer deutlichen Science-Fiction-Komponente sein.
    Nichts, was man so schnell mal eben aus dem Ärmel schüttelt.
    Aber das mußte ich ja auch nicht.
    Wie fast jeder Schriftsteller besitze auch ich eine große Anzahl von Notizbüchern, in denen ich neben Beobachtungen, Überlegungen und Textskizzen auch Ideen festhalte, die mich irgendwann ereilen, gewöhnlich in den unpassendsten Augenblicken. Die blätterte ich also durch auf der Suche nach einer Idee, deren Zeit gekommen war.
    Schließlich fand ich eine Notiz vom 25. Dezember 1995,die wie folgt lautete: Ein Alien-Bewußtsein landet im Körper eines Menschen, beobachtet/erforscht (in der Ich-Form) das Leben der Menschen, um sich anzupassen. (Fremde Sicht auf die Welt, auf Sex, auf Geld usw.) Zusatzidee: Ist auf der Flucht vor Verfolgern. (Die er in anderen Menschen zu erkennen glaubt?) Oder: Vergißt allmählich seine Herkunft. Daneben stand: Doppelbödig – auch als Geschichte einer Geisteskrankheit lesbar.
    Das klang nach etwas Brauchbarem. Wenn man aus den Tiefen des Alls kommt, braucht es seine Zeit, bis man sich an das Leben auf unserem seltsamen Planeten angepaßt hat. Da gehen die Wochen ins Land wie nichts.
    Die Frage war, was danach passieren sollte.
    Ein paar Seiten weiter stieß ich auf einen Eintrag vom 30. Dezember 1995: Die Aliens sind unter uns. Sie haben eine geheime Mission: zu verhindern, daß die Menschheit eine raumfahrende Spezies wird. Sie haben Angst vor unserem expansiven Drang (siehe Weltgeschichte). Sie schlüpfen in die Gehirne von Apallikern (da wehrlos), die dann als geheilt gelten. (In Selbstmörder?)
    Das Detail mit den Apallikern war inspiriert von einem Artikel, den ich einige Wochen zuvor in der inzwischen eingestellten, damals aber noch recht neuen Wochenzeitung DIE WOCHE gelesen und zu dem ich mir am 7.12.95 ein ungefähr halbseitiges Exzerpt notiert hatte. Als ich diese Niederschrift wieder las, fiel mir ein, welche Szene mir damals spontan durch den Kopf geschossen war. Ein Romananfang. Der

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