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Exponentialdrift - Exponentialdrift

Titel: Exponentialdrift - Exponentialdrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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explodierenden Atombombe genau dem gleichen Prinzip folgen, nur schneller. (Daß sich dieses Prinzip auch in unseren Wirtschafts- und Finanzsystemen aufspüren läßt, ist Thema meines Romans Eine Billion Dollar . Vermutlich war es die lange Beschäftigung mit den entsprechenden Recherchen und Überlegungen, die mir diese Idee für die Exponentialdrift eingab.) Gordon R. Taylor beschreibt im ersten Absatz seines 1970 erschienenen Buches The Doomsday Book , wie sich eine ausreichend ernährte Bakterienkultur in einem Reagenzglas explosionsartig vermehrt, um schließlich, von ihren eigenen Abfallprodukten vergiftet, zugrunde zu gehen, und zieht anschließend Parallelen zur Situation der Menschheit insgesamt.
    Nun sind wir allerdings keine Bakterien, und es ist uns nicht nur gelungen, die düsteren Prophezeiungen Malthus’ zu widerlegen, wir scheinen sogar das Bevölkerungswachstum in den Griff zu kriegen; zumindest mehren sich diezarten Hinweise darauf. In fast jedem Land der Welt sinken die Geburtenraten, und in vielen Ländern, darunter in Deutschland, liegen sie inzwischen so niedrig, daß das Problem der Zukunft eher die Überalterung einer schrumpfenden Gesellschaft ist.
    Die interessante Frage wäre nun, ob ein besorgter Beobachter außerirdischer Herkunft derlei Feinheiten wahrnehmen würde. Als ich zur Welt kam, wurde die Erde von drei Milliarden Menschen bewohnt, heute sind es mehr als doppelt so viele: Eine Zeit rascheren Bevölkerungswachstums hat unsere Spezies nie erlebt. Ein fiktives Alien, dem der Drang, exponentiell zu expandieren, fremd wäre und das diesen Planeten im Abstand von vierzig Jahren inspizierte, müßte die Entwicklung der Dinge als geradezu überwältigend wahrnehmen.
    (Eine noch interessantere Frage wäre übrigens, inwieweit der weltweite Geburtenrückgang bereits einfach eine Folge dessen ist, daß wir gewissermaßen an die Wände gestoßen sind, und ob wir, wenn wir auf einmal wieder unerschöpflich scheinende, fruchtbare, menschenleere Weiten zu besiedeln hätten, nicht sofort aufs neue anfangen würden, Kinder in großer Zahl in die Welt zu setzen. Ich denke, wir würden.)
    Doch warum sollte ein außerirdischer Beobachter überhaupt besorgt sein? Wobei mir das für meine Geschichte nicht einmal genügte; für maximalen Nervenkitzel wollte ich, wie gesagt, daß meine hypothetischen Aliens sich bemüßigt fühlen sollten, planmäßig unsere Ausrottung zu betreiben.
    Dazu war es nötig, noch eine zweite Grundannahme hinzuzufügen, die freilich ebenso schwer vorstellbar ist wie die erste. Auch das macht nichts, schließlich geht es bei Science-Fiction gerade darum, die Grenzen des Vorstellbaren auszuloten, gewissermaßen »den Phantasiemuskel zu trainieren«. Diese zweite Grundannahme lautet: Es ist nicht schwer,andere von Menschen bewohnbare Planeten zu erreichen. Es ist im Gegenteil ganz leicht .
    Nach allem, was wir heute wissen und vermuten, ist es nahezu unmöglich, Menschen von der Erde zu einem Planeten in einem anderen Sonnensystem zu befördern. Die Lichtgeschwindigkeit in Relation mit unserer natürlichen Lebensdauer setzt uns Grenzen, ganz zu schweigen von den für eine derartige Reise erforderlichen Energiemengen, den gefährlichen Strahlungen im Weltraum und dem Partikelbombardement, dem man bei hohen Geschwindigkeiten ausgesetzt wäre.
    Noch utopischer erscheint im Lichte heutiger Wissenschaft die in der Science-Fiction-Literatur weitverbreitete Vorstellung, das Bevölkerungswachstum auf Erden sei dadurch zu begrenzen, daß man gewissermaßen den Geburtenüberschuß auf ferne Welten im All »ventiliert«. Bereits grundlegende Berechnungen zeigen, daß wir es hier mit einem Mengenproblem von atemberaubenden Dimensionen zu tun haben. Selbst wenn alle technischen Probleme gelöst würden und wir imstande wären, wie die Enterprise durchs All zu gondeln, müßte doch ungefähr jede Stunde ein Raumschiff von der Größe eines Ozeandampfers vollbesetzt zu den Sternen starten – gewiß nicht grundsätzlich undenkbar, aber ich würde jedenfalls keine Aktien eines Unternehmens zeichnen, das sich dieses Projekt auf die Fahnen schriebe.
    Doch angenommen, wir haben bislang einfach alle nur in die falsche Richtung gedacht und geforscht? Angenommen, es gäbe eine Möglichkeit, ferne, bewohnbare, fruchtbare, unberührte Planeten ganz leicht zu erreichen – mit einem einzigen Schritt, sozusagen? Eine Möglichkeit, die wir einfach noch nicht entdeckt haben, die aber jederzeit entdeckt

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