Extra scha(r)f
Gesprächsthema Nummer Eins bei euch im Studio.«
Wenn ich dem heutigen Abend etwas Gutes abgewinnen will, dann dass er mich kurzfristig von meinen beruflichen Sorgen abgelenkt hat. »Ja, habe ich zumindest vor«, entgegne ich. Ich muss ja nicht erwähnen, dass ich wahrscheinlich ziemlich bald wieder zurückkommen werde.
Das bringt mich ins Grübeln. Hier findet tatsächlich eine Unterhaltung statt. Meine Eltern und ich sprechen miteinander, wie das in Familien üblich ist. Warum soll ich mir also nicht meinen Frust von der Seele reden? Ich werde jetzt mal in aller Ausführlichkeit erzählen, was auf der Arbeit los war ...
In Wirklichkeit liefere ich meinen Eltern eine Version, die nur halb der Wahrheit entspricht und in der es zwischen Jamie und mir lediglich um ein »Missverständnis« geht.
»Ist schrecklich«, bemerkt Dad, nachdem ich fertig bin. »
Du machst sehr gute Arbeit. Ich habe gesehen mit meine eigene Augen. Du nicht darfst aufgeben. Ich sage dir, morgen wir gehen zusammen in die Studio. Deine Chef hat bestimmt eine gute Erinnerung an mich - ich habe gebracht doch die Ananas, nicht? Du brauchst machen keine Sorgen, Charlotta, wir klären diese dumme Missverständnis.«
Verdammt. Ich habe geahnt, dass es einen guten Grund gibt, meinen Eltern nichts von meinen beruflichen Sorgen zu erzählen. Es gibt ein altes Sprichwort, das ich gerade erfunden habe: Geteiltes Leid ist doppeltes Leid. Mum neben mir spürt offenbar mein inneres Unbehagen, weil sie sagt: »Lass es Charlotte erst einmal selbst versuchen, Jimmy.«
»Du hast Recht, ich nicht kann schließen schon wieder die Geschäft«, sagt Dad, dem die Lust zu streiten vergangen ist, der aber dennoch das letzte Wort haben muss. »Du gehst ohne mich in die Studio ... Aber du nimmst mit die beste Möhrenkuchen und machst Frieden mit deine Chef. Die Kuchen ist mit echte Möhren, weißt du?«
In diesem Moment klingelt das Telefon. Ich habe keinen Bock, dranzugehen. Meine Eltern offenbar auch nicht, also raffe ich mich doch auf und gehe in die Diele.
»Hallo«, melde ich mich lustlos.
»Hi«, erwidert der mieseste Schleimer und Lügner, der jemals Sauerstoff geatmet hat.
»Was willst du, Daniel?«, frage ich in demselben unfreundlichen Ton, den ich bei unserem letzten Telefonat angeschlagen habe.
»Ich wollte nur hören, wie es dir geht.«
»Danke, gut. War‘s das?«
»Nein ... Hör zu, ich schwöre dir, ich habe die Videokassette nicht aus deiner Tasche genommen. Ich kann gar nicht fassen, dass du mich verdächtigst.«
Ich gebe keine Antwort. Einen Moment lang lauschen wir beide unseren Atemzügen. Dann sagt Daniel: »Kommst du morgen zur Arbeit? ... Ich vermisse dich nämlich.«
Ich gebe immer noch keine Antwort.
»Hey, weißt du was? Velvet ist heute nicht erschienen.«
»Ja, und?«
»Nun, ist doch sonnenklar, oder? Bestimmt hat sie die Kassette geklaut. Und jetzt lässt sie sich nicht mehr blicken, weil sie versucht, das Band an die Presse zu verkaufen.«
»Velvet ist heute nicht erschienen, weil sie sich ausrechnen konnte, dass sie die Kündigung erhält, Daniel. Entweder das, oder Jamie hat sie gefeuert, ohne dass du es mitbekommen hast.«
»Ich habe heute mit ihm gesprochen, und er hat nichts davon erwähnt.«
»Ich sehe, du hast keine Zeit verschwendet. Kaum bin ich von der Bildfläche verschwunden, kriechst du dem Chef in den Arsch.«
»Ich bitte dich, Charlie. Ich habe mit Jamie über dich gesprochen, wenn du es wissen willst. Ich habe ihm gesagt, dass wir dich hier brauchen, dass du bei den Kunden und beim Personal unheimlich beliebt bist und dass er dich zurückholen soll ... Und ich habe ihm gesagt, dass es ganz allein meine Schuld war, dass das Video im ganzen Studio zu sehen war.«
»Was für eine gequirlte Scheiße. Das Personal hasst mich. Die Einzige, die mich leiden kann, ist Sasha.«
»Da täuschst du dich aber gewaltig! Wie oft soll ich dir noch sagen, dass Sashas Anhänglichkeit nicht gesund ist? In Wahrheit ist sie neidisch auf dich oder was weiß ich, und du bist die Einzige, die das nicht schnallt.«
Es stimmt, dass Sasha sehr anhänglich sein kann, aber das ist sie bei allen, die sie gut leiden kann - beispielsweise bei Jenna. Oder bei Ben/Karl. Für mich klingt das, als wolle Daniel unbedingt die Schuld von sich abwälzen. Gleichzeitig behauptet er jedoch, dass er Jamie gegenüber die Verantwortung für das Missgeschick mit dem Videoband übernommen hat. Das hätte er nicht tun müssen, oder? Vorausgesetzt, er
Weitere Kostenlose Bücher