Extraleben - Trilogie
Unterschied macht. Denn wir fahren beide jetzt einen Dienstwagen, jawohl. und den tauscht der Datacorp Flottenservice - warum auch immer - alle paar Wochen aus. Diesmal ist es ein ...Ja, was eigentlich? Ich muss auf das Lenkrad gucken, um mich an die Marke zu erinnern. Spielt eh keine Rolle, die Kisten sind alle gleich. Wenn du Glück hast, ist es ein E5erA6,in einer schlechten Woche musst du halt mit einem C3erA4 rumkutschieren. Saugen dir alle gleich die Seele raus. Die Kisten haben ohnehin keine Chance gegen den geilsten Wagen dieser Welt - deinen ersten eigenen. Dieses Wrack, mit dem du zehn Semester lang in Symbiose gelebt hat. In dem du gepennt und geheult hast, in dem die geilsten Tankepartys stiegen, mit dem du um drei Uhr morgens bei MickyD einen Cheeseburger geholt hast. Auf dessen Motorhaube du mit dieser aufgeschlossenen Theologiestudentin gefummelt hast - nicht weil es so gut war, sondern um den Kumpels am nächsten Tag ganz zufällig den Schenkelabdruck zeigen zu können. Nein, dieses Auto kommt nicht zurück, es bricht nicht - wie Christine - eines Nachts vom Hof des Autoverwerters aus, um wieder vor deiner Tür zu parken, als ob nichts gewesen wäre. Nein, deine heilige Schüssel hat ihre letzte Reise längst hinter sich, und alle Wagen, die nach ihr kommen, sind nur noch Fortbewegungsmittel. Wir sind doch schließlich erwachsen. Da erwartet man von einem Auto nur noch, dass es sicher ankommt - und im Fall von Nick einen geldwerten Vorteil. Nachdem der Beifahrer Johns Laptop umständlich auf dem Boden hinter seinem Sitz verstaut hat, kramt er aus seinem Krempelberg ein weiteres Kästchen raus und versucht, es mit dem Zigarettenanzünder zu verbinden, der niemals eine Zigarette angezündet hat und niemals wird. Seine Hände zittern ein bisschen.
»Was ist das wieder?«
Nick nestelt weiter am Kabel rum.
»GPS-Jammer. Stört im Umkreis von ein paar Metern alle Satellitenfrequenzen. Für den Fall, dass deine Kiste verwanzt wurde.«
»Was? Wer würde so was denn tun? Einfach einen Sender unter die Motorhaube stecken, der die Position des Wagens unbemerkt an eine Zentrale funkt ...«
Da - er muss kurz den Mundwinkel hochziehen! Immerhin, er hat die Sache damals in L.A. noch nicht vergessen. Dann verschwindet das Lächeln auch schon wieder, und Business-Nick ergreift wieder das Kommando. Klick, er rastet den Stecker ein und drückt einen Schalter.
»So, ab jetzt sind wir unsichtbar. Ist dein Handy wirklich aus?«
Ich schaue nochmal brav aufs Display.
»Ja.«
»Dann fahr los.«
»Wohin?«
»Egal, irgendwo hin, wo wir pennen können - und wo man bar zahlen kann.«
War neben dem Autobahnkreuz auf dem Weg hierher nicht ein Billighotel? Ich drücke den Startknopf, und der Sechszylinder gurgelt leise unter den Dämmmatten vor sich hin. Blinker raus, wir wollen ja nicht auffallen. Unser U-Boot gleitet auf Schleichfahrt durch Suburbia - unerkannt, leise und unendlich unauffällig. Wir sind also wieder auf der Straße: ich auf dem Fahrersitz, die rechte Hand am Steuer, die linke, wie Steve McQueen, auf der Türkante oben abgelegt. Daneben sitzt der ewige Beifahrer, den Blick starr nach vorne gerichtet, und denkt über irgendeine Zeropage nach. Wie viele Meilen haben wir so schon runtergerissen? Über 100000, hat Nick Mitte der Neunziger mal ausgerechnet. Mittlerweile sind es sicher doppelt so viele. Seit wir von der Schule runter sind, haben wir unsere Ferien, und davon gab's seitdem viele, zusammen auf amerikanischen Highways verbracht. Auf unseren Forschungsreisen, wie Nick immer sagt. Forschungsreisen deshalb, weil wir uns für jeden dieser Trips eine schwachsinnige Mission ausgedacht haben. Also zum Beispiel: Wir schauen uns die Absturzstelle in Roswell an (Nicks Idee), wir besuchen alle Orte in Kalifornien, wo »Star Wars« gedreht wurde (meine Idee), wir statten der ehemaligen Zentrale von Atari in Milpitas/Kalifornien einen Besuch ab, bevor sie endgültig verrammelt wird (eine Pflichtmission, da waren wir uns einig). Diese Odyssee endete übrigens - wie immer - an einer Mauer mit dem Schild »No Trespassing«, dem wir - wie immer - gehorchten. Eine neue Kultstätte, ein neues Betreten-verboten-Schild. Wir blieben also draußen und forschten auf dem Parkplatz weiter. Viele Relikte gab es da nicht zu entdecken. Daran, dass hinter diesen Mauern Legenden wie Pong oder Breakout geboren wurden, erinnerte nur ein winziges Detail: ein kleines Grab, das wohl die Mitarbeiter angelegt hatten. Okay, Grab ist
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