Extraleben - Trilogie
bleibe vor der Fensterfront stehen. Er macht einen großen Schritt über die Schwelle der Terrassentür und steht im Wohnzimmer. Mit einem Ruck zieht er den Rechner aus dem Regal. Wie ein Fachmann, der er ja wirklich ist, dreht er das Teil hin und her. Vorderseite, Rückseite, dann fährt er mit dem Finger über die Anschlüsse hinten. Langsam fängt die Dunkelheit im Rücken an, unangenehm zu werden, so als ob einen lange, schwarze Finger ganz sachte am Nacken streicheln. Was soll's, Also auch rein. Als es schon zu spät ist, merke ich, dass meine Lehmfüße fette braune Ränder auf dem hellgrauen Teppichboden hinterlassen. Das wird die Versöhnung mit Sabina noch weiter rauszögern. Nick hat seine Diagnose abgeschlossen. Und was er gesehen hat, gefällt ihm überhaupt nicht.
»Warum schleppst du hier 'nen NSA-Rechner an?«
»NSA?«
»National Security Agency, die ganz bösen Jungs, geheimer als die CIA. Du wissen«, er klingt echt genervt.
»Ich weiß, wer die ...«
»Wir müssen hier weg«, stellt er kalt fest und klemmt sich den Rechner unter dem Arm.
»Warum?«
»Weil sie nochmal herkommen werden, um das Teil zu holen.«
Da war es wieder, das paranoide »sie« aller Tinfoil-Hats dieser Welt. Alle Leute, die denken, dass 1949 in Roswell wirklich die Aliens gelandet sind, dass der Untersberg in Bayern in Wirklichkeit ein verstecktes Zeitportal ist, und dass die Mondlandung in der Wüste von Nevada gefaked wurde. Halt! Nein, das stimmt so nicht mehr. Denn laut Nick gilt in der Szene derzeit die Dark-Mission-Theorie, nach der amerikanische Astronauten auf dem Mond eine Basis von Außerirdischen entdeckt haben. Und das wurde dann vertuscht. Demnach müssen sie ja zumindest oben gewesen sein. Oder haben sie die Basis bei den geheimen Dreharbeiten in Nevada entdeckt? Egal, jedenfalls wurde heftig vertuscht. Zum Beweis musste ich mir sehr lange ein paar Bilder angucken, die wie fünfzehn Mal gefaxt aussahen und auf denen man ganz deutlich einen schwarzen Fleck neben einem weißen Fleck erkennen konnte. Früher habe ich dieses Geheimgewäsch von Nick immer als nette Marotte abgetan. Es stellte keine Gefahr da, denn wir hingen ständig aufeinander und ich wusste immer, was er tat, was er las und woher sein vermeintliches Geheimwissen stammte, nämlich von irgendwelchen Spinnern in irgendwelchen Spinnerforen. Nichts, worüber man sich Gedanken machen müsste, also. Das hat sich in den letzten zwei Jahren geändert. In der Zeit sind wir uns nur ein paar Mal über den Weg gelaufen, und was dazwischen passiert ist, darüber hat er nie was erzählt. Sei »confidential «, das Ganze, hieß es dann, und dabei hat er versucht, locker mit dem Auge zu zwinkern. Weiß Gott, was die Databorgs in der Zwischenzeit mit ihm gemacht haben. Er ist jedenfalls nicht mehr derselbe, das steht fest. Allein wie er eben die Wanze plattgemacht hat - wie ein Fremder. Der alte Nick hätte das niemals getan. Er hätte sich unter keinen Umständen die Chance entgehen lassen, das Ding aufzuschrauben, ein neues Betriebssystem zu installieren und dann bis in alle Ewigkeit auf Kosten der Abhörer zu telefonieren oder so ähnlich. Könnte es sein, dass er ausnahmsweise mal keinen Schwachsinn redet? Dass sich wirklich jemand für diesen Rechner interessiert - und zurückkommt? Fest steht, dass das Teil nicht mehr mit zurück ins Dorint reist. Nick ist kurz in sein Zimmer gegangen und kommt mit einem Arm voller Klamotten und einer Kulturvortäuschungstasche zurück; in der Achselhöhle klemmt sein Rechner. Radler auf dem Balkon trinken ist für das kommende Wochenende wohl gestrichen. Gottseidank liegen noch mein Dienstrechner. Pass und Wechselklamotten im Kofferraum - Datacorp-Vorschrift, ausnahmsweise mal sinnvoll.
»Machen wir eine längere Reise«
Nick schaut mich kühl an.
»Wer weiß?«Er scheint es zu wissen.
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Auf der verkehrsberuhigten Straße vor Nicks Bungalow ist es noch ein bisschen ruhiger als bei meiner Ankunft. Alle Papis sind mittlerweile wieder zuhause eingetrudelt, und aus den Carports ragen die Hecks ihrer grauen Kombis und Vans. Die Luft fühlt sich kalt und feucht an, wahrscheinlich von den ganzen Rasensprengern. Nick schließt das Haus ab, und wir laufen zügig einen Wohnweg runter. An jeder zweiten Tür geht das Licht an, aufgestachelt von einem Bewegungsmelder, den Ede Zimmermann sicher dringend empfohlen hätte. Da Sabina mit seinem Wagen weg ist, müssen wir meine Kiste nehmen, was natürlich keinen wirklichen
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