Extraleben - Trilogie
hat eine eigene Telefonnummer und so. Wird einfach am Zielort deponiert. Und wenn sie wissen wollen, was an dieser Stelle gesprochen wird, rufen sie einfach die Wanze an und hören schön mit. Sendet auf 800, 900 und 1 800 Megahertz, kriegst du in Hongkong für ein paar Dollar an jeder Ecke.«
Woher er die Zeit nimmt, bei dem ganzen Geheimkram immer auf dem neuesten Stand zu bleiben? Wenn es um seinen Spionage-Militär-Verschwörungs-Kram geht, ist ihm kein Abo zu teuer, das war schon zu Schulzeiten so. Statt der Bravo lagen in seinem Jugendzimmer immer Zeitschriften wie Jane's Defence Weekly und natürlich auch M.P. rum, Meister Plattmachers rasantes Magazin. Im Studium wuchs sich das zu richtigen Wahnvorstellungen aus, vor allem, weil es dann das Netz gab und er sich mit anderen, noch viel durchgeknallteren Spinnern in den USA austauschen konnte. Damals war er eine Zeit lang sogar felsenfest davon überzeugt, dass ihn die National Security Agency auf dem Kieker hätte. Ich dachte, die NSA-Paranoia hätte sich gegeben, seit er einen richtigen Arbeitsplatz, Lebensmittelpunkt und -partner hat. Aber dieses »sie« klingt ziemlich nach dem alten Geheim-Nick. Na gut, damit »sie« uns nicht kriegen, werde ich ihm mal helfen. Immer noch etwas schlaftrunken knie ich mich neben ihn ins Gras und fange - eher pro forma - an zu suchen.
»Wie sieht das Teil denn aus?«
Nick macht mit Daumen und Zeigefinger ein »O«, in das ein Kronkorken passen könnte.
»So groß ungefähr, aus Plastik.«
Da er das Teelicht hat, bleibt mir nur das Tasten. Widerlich, dieses Naturding, zwischen den feuchten Blättern stecken mit Sicherheit Dutzende von Tausendfüßlern, Nacktschnecken oder sonst was. Dr. Jones, das ist kein Popcorn unter unseren Füßen! Manchmal kann diese Freunde-in-der-Not-Sache echt lästig werden. Zum Glück muss ich nicht lange Mithilfe vortäuschen. Mit einem triumphierenden »Ha« zieht Nick etwas aus dem Gebüsch. Sollte das echt eine Wanze sein? Hektisch friemelt Mr. Supergeheim einen Rosenast ab, der sich in seinem Pullover verfangen hat und ihn daran hindert, aufzustehen. Schließlich präsentiert er stolz seinen Fund: ein Teil, das von jedem x-beliebigen Rasenmäher abgefallen sein könnte. Nick hat echt nicht mehr alle Tassen im Schrank. Ich beuge mich ein bisschen vor und schaue zu, wie er das schwarze Plastikklötzchen vor dem Teelicht hin-und herdreht. Okay, an einem Gartengerät würde vielleicht mehr Dreck hängen, doch davon abgesehen ist es - ein Plastikklötzchen eben. Auf einmal tickt Nick völlig aus. Ohne Vorwarnung schmeißt er das Teil ins Gras und tritt mit voller Kraft drauf, als ob er es töten will. Sein Fuß donnert ein paar Mal auf den Boden, dann kracht Plastik und das Teelicht geht aus. Ist das noch Nick? Ich habe noch nie gesehen, dass er derart rohe Gewalt angewendet hat. Eigentlich habe ich noch nie gesehen, dass er überhaupt mal Gewalt angewendet hat, außer gegen den Joystick bei Decathlon. Gegen Nick ist der Dalai Lama ein Hooligan. Dann drückt er auf die Beleuchtung seiner Digitaluhr und sagt laut und mechanisch die Zeit an.
»Null Uhr zwei und fünfundfünfzig Sekunden.«
Die Show ist vorbei. Er dreht er sich um, und das Rascheln seiner Füße im Gras verschwindet Richtung Haus. Erst jetzt bin ich richtig wach. Und zum ersten Mal, seit ich denken kann, habe ich vor Nick Angst. Ohne hinzusehen raffe ich vom Boden alles zusammen, was von dem Kästchen übrig geblieben ist.
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Klar, hat er ab und zu seine Wutausbrüche. Den letzten zum Beispiel kurz vor Weihnachten. Das war wirklich eine idiotische Geschichte, von der ich nie und nimmer gedacht hätte, dass sie irgendjemanden aufregen könnte. Die Sache lief so ab: Andie hatte mal wieder angerufen, um sich die Langeweile in ihrer Bürozelle zu vertreiben. Wir sprachen so über dies und das und landeten schließlich bei unserer Studienzeit. Ihre Geschichten drehten sich um Kappa-Delta-Alpha-Studi-Verbindungspartys, die allesamt so was von »awesome« waren. Langeweile in einer nie da gewesenen Dimension. Ich hab dann auch ein paar Episoden raus gekramt, zum Beispiel, dass Nick sich jahrelang seinen Frühstückstoast auf einem Bügeleisen gemacht hat. Eine völlig harmlose Geschichte also. Andie hat sich total weggeschmissen vor Lachen. Am nächsten Tag jedenfalls ruft Nick an und schreit mich ohne Vorwarnung zusammen. Wie ich so was rumerzählen könne, das gehe in der Firma niemanden was an, und überhaupt sei das total
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