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Extraleben - Trilogie

Extraleben - Trilogie

Titel: Extraleben - Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Constantin Gillies
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Festplattenstation von Big Blue macht sich richtig breit - und einen Höllenlärm. Fünf weiße Schränke, jeder so groß und weiß wie eine Waschmaschine, rauschen und grummeln vor sich hin, als ob sie sich richtig anstrengen müssten, um die zwei 100-Megabyte-Platten innen drin am Drehen zu halten. Eine der Wechselplatten liegt auf einem der Gehäuse. Vergleich mit dem Video: Ja, sieht auch in Echt wie eine Tupperdose für Torten aus. Mit dem Aufbau hat sich Irving keine Mühe gegeben: Ein lächerlich kleiner Monitor und eine Tastatur, fast so braun wie die vom Cevi, stehen quer auf einem simplen Metalltisch. An der Kante schlängelt sich ein dickes Kabel runter, das zum Rechner führt, dem Series/1. Das Teil selbst ist so groß wie eine dieser Klimaanlagen, von denen in Kuala Lumpur in jedem Fenster drei steckten. An einer Ecke des Gehäuses ist eine kleine Folientastatur eingelassen. Irving hat das ehemalige Stück Hochtechnologie mitten im Dreck auf dem Boden geparkt. Aus der Rückseite des Geräts wuchern in alle Richtungen Kabel raus, wie die Wurzeln eines Mangrovenbaums. Nick schüttelt den Kopf.
    »Kein Wunder, dass die Verbindung zur Telefonanlage nicht mehr funzt und man den Laden nicht mehr von außen erreichen kann. Ach was, ein Wunder, dass in diesem Treibhaus überhaupt noch was geht.«
    Nachdem er einen letzten Blick auf die Stromversorgung in der Ecke geworfen hat, lässt er sich vor dem Terminal fallen und berührt fast zärtlich die Tastatur.
    »Könnte der Letzte seiner Art sein«, haucht er rüber. Das heißt, wenn wir dem Oldie heute nichts entlocken, werden seine Erinnerungen für immer verloren sein. Digitale Demenz. Wenn niemand mehr da ist, der das System bedienen kann, der die toten Medien wiederbelebt, der zur Seele der Maschine vordringt, stirbt sie und reißt alles mit sich, was sie weiß. Und was in diesem Dinosaurier steckt, könnte ziemlich wichtig sein, oder vielleicht auch nicht. Witzig, dass ausgerechnet wir das letzte Aufgebot stellen - wir, die 8-Bit-Kids, über die sich das elektronische Establishment früher immer lustig gemacht hat. Für die Informatiker hinter ihren Bergen von Zebrapapier waren wir Witzfiguren, Spielkinder, im schlechten Sinn. Hyperaktive Rotzlöffel. die nur auf den Feuerknopf drücken können und keine Ahnung von nichts hatten. Wer braucht Sprites, sechzehn Farben und einen dreistimmigen Synthesizer in einem Computer? Total unseriös. Computer, das ist eine ernste Angelegenheit, die man nicht irgendwelchen Zwölfjährigen überlassen kann. Genau deshalb haben wir Informatik abgewählt. Was einem da beigebracht wurde, hatte mit dem, was wir unter Computern verstanden, nichts zu tun. Da hieß es immer erst schön Flussdiagramm zeichnen, bevor man an einen der wertvollen Apple II durfte. Und wenn wir endlich vor der Kiste saßen, sollten wir ein Pascal-Programm schreiben, das Primzahlen berechnet. Hallo? Wie viel Spaß macht das? Unser Betriebssystem lief ein bisschen anders. Wir wollten ran an das Teil, einfach rumprobieren, mal testen, was geht, spielen. Der Rest würde sich schon ergeben. Lernen war ein Abfallprodukt: Man bekam die Originaldiskette von Beach Head II, lud das Boot-Programm in den Speicher und fummelte so lange dran rum, bis der Kopierschutz geknackt war. Dass nebenbei ein bisschen Assembler hängen blieb oder wir spitzkriegten, wie ein Interrupt funktioniert, war reines Nebenprodukt. RTFM? Undenkbar. Ein winzig kleiner Blick in eines dieser rot-weißen Data Becker Bücher war das höchste der Gefühle, aber bitte nur in eine kopierte Version aus dem Copy Shop. Und ausgerechnet wir, die Könige des Trial-and-Error, sollen jetzt ausrücken, um die letzten arroganten Multimillionen-Dollar- Hirne zu retten. Cooler Film übrigens, »Billion Dollar Brain«, wie fast alle mit Michael Caine.
    »Voilà, es gibt eine Webseite«, meldet der Beifahrer. Zitat aus »Sneakers«, oder? Nein, als der rauskam gab's doch noch kein richtiges Web ... Wir beugen uns über den Bildschirm und saugen gierig das blasse Grün auf. Vielleicht hatten die alten Säcke doch Recht: Man braucht wirklich keine sechzehn Farben. Datensichtgerät - das trifft es ganz gut. Dieser Monitor versucht nicht, den Nutzer mit augenschonenden Hertz oder hoher Auflösung zu bezirzen; nein, er rotzt die Daten raus, roh und hässlich. Zwanzig Zeilen drängeln sich in dem schwarzen Viereck mit den abgerundeten Kanten, nur Großbuchstaben natürlich. Eine Maus ist wieder Fehlanzeige; ähnlich

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