Extraleben - Trilogie
Film in solchen Situationen immer gefragt? Genau.
»Was wird es denn?«, erkundige ich mich. Nick zuckt mit den Schultern.
»Keine Ahnung. Ist noch zu früh.«
»Ja, Mensch ...«
Wann ist die verdammte Datei endlich auf die verdammte Diskette überspielt?
»... das ist ja toll ...«
Mehr Floskeln, ich brauche mehr Floskeln.
»... und was macht ihr jetzt?«
Der Beifahrer guckt noch fragender.
»Wie - machen? Wir machen weiter wie bisher. Ist außerdem ja noch ein halbes Jahr hin und so. Kein Grund zur Panik.«
Genau, ist ja noch Ewigkeiten hin. Noch reichlich Zeit, sich ein paar bessere Fragen auszudenken. Gottseidank: Nick dreht sich zum Terminal um, um mir zu signalisieren, dass ich mir keine weiteren Pseudofragen abdrücken muss. Er weiß, was sich gehört. Nickybaby wird Vater. Der Hammer. Macht er aber bestimmt ordentlich. So ein guter Mensch wie er ist, zieht er das Vaterding sicher vorbildlich durch. Und sie kriegen bestimmt einen Sohn. Mensch, was wird er stolz sein. Und Sabina, die kickt dann in der richtigen MILF-Liga. Ich beneide ihn, mehr als ohnehin schon. Er kann dann all diese tollen Vatersachen machen, zum Beispiel im Italienurlaub an der Tanke ein Burago-Auto springen lassen, natürlich einen Lamborghini Countach oder welche Kiste im Quartett gerade alle anderen verbläst. Oder er kann vormachen, wie man so ein Windrad faltet, das den ganzen Strand langfährt, bis es irgendwann in der Gischt landet und aufweicht. Schön. Da lohnt es sich, nach Hause zu kommen.
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2:00 pm steht am Rand des Bildschirms, als Nick die Diskette aus dem Laufwerk zieht. Genau zwei Uhr. Komisch, wenn in Filmen oder Games die Uhrzeit eingeblendet wird, sind das immer krumme Zahlen. Zum Beispiel: PENTAGON, 8:37 UHR. Natürlich Buchstabe für Buchstaben aufgebaut, mit einem abgeschmackten Tastaturpiepsen dazu. Oder: CIA-HAUPTQUARTIER, 11:29 UHR. Zur vollen Stunde passiert in Filmen nie was. Jetzt bleibt nur noch eins zu tun: Wir müssen diesen seltsamen Befehl von Major Tom ausführen und das Original von THE_BUG auf den alten Festplatten löschen. Was ist der Punkt bei der Aktion? Die Chancen, dass jemand diesen Ort lokalisiert, zwei Codeschlösser knackt und dann noch ein System ll bedienen kann, sind gleich Null. Vorher bricht der ganze Bau hier zusammen, das kann ohnehin nicht mehr lange dauern. Doch der brave Angestellte des Monats führt den Befehl seines Vorgesetzten natürlich aus - obwohl er Bauchschmerzen dabei hat, das sieht man ihm an. Eine so wertvolle Information wie THE_BUG nur einem einzigen Medium anzuvertrauen, obendrein einer ollen Acht-Zoll-Diskette, ist purer Leichtsinn. Es gibt ja nicht mehr viele Regeln, die heutzutage immer und überall gelten. Bis auf diese eine: Mach immer eine Sicherheitskopie, du Idiot! Nick kneift die Augen zusammen, als er den Löschbefehl bestätigt. Klick. Ab jetzt lebt THE_BUG nur noch auf einer hauchdünnen Magnetschicht, die zwischen zwei Plastikfolien eingeklemmt ist. Ein sehr zerbrechliches Zuhause: Wir dürfen nicht hinfallen, die Floppy nicht knicken, nicht an Boxen oder Magneten vorbeigehen, müssen Temperaturunterschiede vermeiden, Feuchtigkeit und so weiter und so fort. Theoretisch dürften wir uns also nicht mehr bewegen. Zurück bleibt ein IBM Series/1 mit einer leergefegten 3330-Festplatten- Station; ab jetzt rotieren die Waschmaschinen umsonst. Wir kleben mit den Gesichtern vor dem Monitor, saugen nochmal das satte Grün auf und sagen dem System still Lebewohl. Logout. Nick steckt die Diskette in ihre Papierhülle.
»Fertig?«
»Fertig«, sage ich. Noch ein letzter Blick durch die Halle, dann setzt sich unsere Freak-Prozession in Bewegung. Vorne der Beifahrer, die allerheiligste Diskette am ausgestrecktem Arm vor sich herbalancierend. dahinter ich, der Assistent mit leeren Händen. So tänzeln wir durch das Atomraketen-Silo. Nach ein paar Metern rollt der erste Lachanfall ran.
»Kannst du nicht wenigstens den Arm runternehmen?«, frage ich.
»Mann, ich habe Angst, mit dem Teil irgendwo dranzustoßen«, presst Nick raus, während er voll konzentriert nach Hindernissen auf dem Boden Ausschau hält. Wie lustig wäre es, ihn jetzt gegen die Wand zu schubsen, aber geht ja leider nicht - potenzielle Todesgefahr für die Floppy. So bleibt uns nichts übrig, als still in uns hineinzugackern. Nick hyperventiliert leicht und fängt an, rumzuquasseln.
»An dieser Stelle müsste aus dem Off Fly me to the Moon oder so einblendet werden, während von unten die
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