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Extraleben - Trilogie

Extraleben - Trilogie

Titel: Extraleben - Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Constantin Gillies
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als Trauzeuge antreten. Schwieriges Terrain. Obwohl: Irgendjemand hat mir mal gesagt, dass der Pfarrer diese »Wenn jemand etwas einzuwenden hat«- Frage in echt gar nicht stellt. Nick stemmt sich ein bisschen aus seiner U-Boot -Position hoch.
    »Alles sauber?«, keucht er. Ich checke den Rückspiegel.
    »Alles sauber.«
    Er fällt wieder in sich zusammen. Und dann raunt er, kaum hörbar, nur zwei Worte.
    »Diese Schweine.«

#16 T-6: 11:46
    Amature wife from Ukraine -watch her masterbate. SEXY! Wenn eine Pornobildchen-Serie so eine Überschrift hat - mit genau diesen Fehlern -, kann man zu einhundert Prozent sicher sein, dass die Fotos vor einer Wand aufgenommen wurden, die genauso aussieht wie die Wand, an der der Beifahrer gerade lehnt. Es muss eine Vertäfelung aus Eiche sein, bei der die Latten am Rand schön speckig und abgegriffen aussehen. Sie müssen so glänzen, dass man den Mief von Kippen und Gleitcreme mit Kokosduft förmlich riechen kann. Außerdem wichtig: Sowohl Vertäfelung hinter dem Ehebett als auch Amature wife müssen von dem Herrn mit der Kamera brutalstmöglich von vorne zugeblitzt werden. Als Garnierung der Saunaclub-Idylle sind ferner erlaubt: eine Medion-Stereoanlage in der Ecke oder ein Monobloc-Gartenstuhl als Sitzgelegenheit im Hintergrund. Seit zehn Minuten versucht eine arme Schnake, sich die Vertäfelung hinter Nicks Bett hochzukämpfen, Richtung Decke, wo die Energiesparbirne hängt. Immer wenn sie die obere Kante des Holzes erreicht hat, rutscht sie zurück aufs Bett und krabbelt wieder los. Langsam müssten die Viecher doch gepeilt haben, dass das da oben kein Mond ist. Und auch keine Raumstation. Der Beifahrer sieht schrecklich aus. Seine Augen, die sonst immer so jungs-und Paul-Newman-mäßig strahlen, dämmern tief in den Höhlen vor sich hin. In seinen ungewaschenen Haaren spiegelt sich das kalte Gefunzel der Birne, und sein ehemals stolz gestärktes Business-Hemd ist zu einem Faltengebirge verkrumpelt, das auf einer Seite aus dem Hosenbund raushängt. Dabei geht es jetzt schon wieder, im Vergleich zu vorhin. Als er sich mit letzter Kraft in den Wagen hievte, dachte ich, er würde gleich umkippen, so fertig sah er aus. Es war eine dieser Extremsituation, mit denen ich völlig überfordert bin. Und Junge, es dauert verdammt lange, im 21. Jahrhundert eine Zelle zu finden. Immerhin beruhigte sich Nick ein bisschen, nachdem er telefonieren durfte.
    »Habe Sabina gesagt, dass sie mit der Kleinen zu ihrer Mutter fahren soll. Sicher ist sicher«, stammelte er rum. Dann gab er noch den Befehl aus, nach Norden zu fahren, raus aus Ehemalistan, und ließ sich in den Beifahrersitz zurückfallen. Die nächsten vierhundert Kilometer war es verdammt ruhig in unserer Karre. Nick kramte seinen geliebten GPS-Störsender raus uns stöpselte ihn ein - für den Fall, dass die Firma unseren Wagen mit einem Peilsender verwanzt hat. Danach verfiel er in seine typische Duldungsstarre und unterbrach sie nur, um seltsam belanglosen Autobahn-Smalltalk abzusondern, wie »Mit der Brücke werden sie wohl nie fertig« oder »Fährst du nachts auch so ungern?«.
    Als wir das Ziel unserer Fluchtfahrt erreicht hatten, war es schon nach zwölf und wir taumelten wie Zombies aus dem Dienstwagen. Nick bestand darauf, nicht in einem der Kettenhotels einzuchecken, wo die Company Rabatt kriegt, sondern in einer miesen Pension direkt neben dem Bahnhof. Ich traute mich schon gar nicht mehr nach dem Grund zu fragen, denn die Antwort war ohnehin klar. Es würde hier »sicherer« sein. Dem Studi am Empfangstresen pfefferte Nick so laut ein „Wir zahlen sofort - in bar! « um die Ohren, dass der richtig zusammenzuckte. Ich hab meinen Kumpel dann erst mal eine halbe Stunde auf dem Zimmer allein gelassen, damit er sich wieder zusammensetzen konnte. Als ich von meiner Tour um den Block zurückkam, sah er schon besser aus. Von dem mitgebrachten Döner probierte er nur zwei Bissen, dafür stürzte er die Dose Astra fast in einem Zug runter. Per aspera ad astra, haha. Ich bin also sofort nochmal runter, um ihm eine zweite zu holen, was er immerhin mit einem Anflug von Lächeln quittierte. Quaxis gab's an dem Kiosk leider nicht. Jetzt sitzt er da, vor dieser ukrainischen Amateurporno-Vertäfelung, und starrt auf den Bodenbelag. Genau das gleiche Linoleum lag bei meinem Opa im Hausflur -hautfarbig und mit verschmierten braunen Flecken, als ob jemand jahrzehntelang Schnaken darauf totgetreten hätte. Ab und zu schreckt er kurz hoch.

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