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Extraleben - Trilogie

Extraleben - Trilogie

Titel: Extraleben - Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Constantin Gillies
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Doch diese Ironie registriert der Beifahrer gar nicht mehr, genauso wenig wie die Turnübungen hinter ihm: Die Harley-Dame hat jetzt nämlich ihre Brüste auf dem Tank abgelegt, der mit einer amerikanischen Flagge verziert ist, und streckt ihren Hintern so weit in die Luft, dass es von hier aussieht, als würde er wie der Mond über Nicks Kopf aufgehen. Der Dude würde es wahrscheinlich nicht mal mehr mitkriegen, wenn sie schon auf seinem Kopf säße. Er blüht in seinem Nerd-gibt-auf-dem-Pausenhof-an-Modus voll auf.
    »Und, und«, er nimmt hektisch einen Schluck, »wusstest du, dass das Gehirn von Optimus Prime auf eine Floppy Disk passt?«
    »Ist nicht wahr!«, tue ich erstaunt. Optimus Prime, war das nicht der gute Transformer? Woher nimmt Nick nur die Hirnkapazität, um sich diese ganzen Achtziger-Nichtigkeiten zu merken? OUT OF MEMORY ERROR scheint's bei ihm nie zu geben. Nicks Wangen glühen: »Doch! Im Comic, da bringt sich Optimus Prime doch um, aber Ethan hat sein Hirn vorher noch praktischerweise abgespeichert. Und dann holt er eine Floppy aus so 'nem Zettelkasten. Das ganze Bewusstsein passt auf eine Diskette - also 165 Kilobyte, oder das Doppelte, wenn er sie gelocht hat!«
    Wahnsinniges Lachen. Vor lauter Begeisterung über sich selbst fuchtelt er so wild mit dem Bierglas rum, dass ein Schluck auf seine Hose schwappt und direkt - wo auch sonst - im Schritt landet, knapp vorbei an der Ausbeulung in seiner rechten Hosentasche, in der das Tape drin steckt. Ich zeige mit dem Finger hin.
    »Sag mal: Ist das 'ne Quarter-Inch-Cartridge oder bist du nur froh, mich zu sehen.«
    Nick krümmt sich und japst nach Luft. Der wird doch nicht gleich Asthma kriegen oder so? Doch plötzlich, als ob jemand den Stecker rausgezogen hätte, hört er auf zu lachen, rappelt sich hoch und starrt mich mit dem versteinerten Blick eines Besoffenen an, der ernst genommen werden will. Habe ich irgendwas Falsches gesagt? Er kneift die Augen zusammen.
    »Alter, merk dir, was ich dir jetzt sage.«
    Jedes Wort kommt total klar raus, keine Spur mehr von all den Bierchen. Unglaublich, er wollte die ganze Zeit nur fröhlich und betrunken sein, aber der Prozessor in seinem Kopf hat völlig normal weitergearbeitet. Sein Frohsinn war exakt berechnet. Manchmal macht mir sein Übermenschentum richtig Angst. Er tippt mit dem Finger gegen seinen Hosenbund.
    »Dieses Tape, mein Freund, dieses Tape ist Millionen wert.«
    Schweigen. Nick weiß genau, wie sein Satz eingeschlagen ist, und er genießt es, dass ich platt bin. Seelenruhig setzt er sein Glas an, kippt den Bodensatz runter und gibt ein lautes »Aaah« von sich. Dann hebt er den Krug hoch und macht mit der anderen Hand in Richtung Bar ein Victory-Zeichen. Noch zwei, bitte!
    »Was heißt Millionen?«, frage ich. Nick lächelt die Bedienung, die mit dem Nachschub zu uns rübertrabt, etwas zu offensiv an.
    »Wirst schon sehen«, sagt er ganz beiläufig, »wirst schon sehen«.
    Er nimmt dem Mädel die Gläser ab und drückt ihr mit einem »is okay« einen Schein in die Hand. Ein bizarr hohes Trinkgeld. Wir waren zwar vorhin nochmal am Geldautomaten, um abzuräumen, was ging, aber die Kohle jetzt so rauszuhauen? Nicht klug. Lustig: Wir hatten uns die Scheine hektisch in die Hosentasche gestopft und sind weggerannt wie zwei Schulkinder, die als Mutprobe beim Zeitschriftenhändler ein Päckchen »Mondbasis Alpha Eins«- Panini-Bildchen geklaut haben. Der Beifahrer klopft mir jovial auf die Schulter, so, als wäre er Fridolin Kiesewetter, der Käpt'n Haddock gerade eine Versicherung andreht.
    »So, jetzt trinken wir erst mal auf eine weitere gelungene Dienstreise.«
    Sein Glas klirrt unangenehm laut mit meinem zusammen.
    »Ja, äh, genau auf die Dienstreise!«, antworte ich mechanisch. Warum fühlt es sich so an, als wäre es unsere letzte?

#20 T-4: 23:33
    Krissi, wir werden dich vermissen! Jemand hat die Worte mit einem roten Filzstift sorgfältig quer über die Seite geschrieben, in sauberer Mädchen-Schreibschrift, mit kleinen Herzchen statt Punkten auf den »I«s. Rührend, genau wie der Rest der Einträge. Wir wünschen dir alles Gute bei deinem großen Abenteuer! Dein Onkel Eberhard. Oder: Krissi: Rock Amiland! Noch bevor ich mir den Rest durchlesen kann, blättert das Mädchen weiter. Sie hat ihre Füße am Rand des Sitzpolsters abgestellt und ihren Kapuzenpulli über die Beine gezogen, sodass sie jetzt wie eine rote Mumie aussieht. Dazu trägt sie das volle Öko-Ornat: hennarot gefärbte

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