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Extraleben - Trilogie

Extraleben - Trilogie

Titel: Extraleben - Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Constantin Gillies
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Haare, Freundschaftsbändchen am blassen Handgelenk, so 'nen Indio-Ring. Das bisschen, was man von ihrer Figur erkennen kann, sieht okay aus. Wenn nur nicht dieses herbe Gesicht wäre. Die fiesen Klassenkameraden drüben in den Staaten werden sie hinter vorgehaltener Hand ein »Butterface« nennen. Das leitet sich aus dem ziemlich gemeinen Satz ab: »She looks good - but her face!«
    Mist, sie hat bemerkt, dass ich rübergucke! Zur Strafe feuert sie aus dem Augenwinkel einen Alter-Sack-was-ist-dein-Problem-Blick ab. Schon gut, ich starre ja schort wieder nach vorne. Warum geben einem solche Gören ständig das Gefühl, dass die eigene Existenz eine Zumutung ist? Sie sieht wie siebzehn aus, vielleicht auch achtzehn. Genauso alt wie wir, als wir das erste Mal rübergeflogen sind, direkt nach dem Abi. Junge, das Reisebüro hat uns in den beschissensten Flug gesetzt, den es gab: Start in Amsterdam, danach noch zweimal umsteigen. Doch das spielte keine Rolle. Hauptsache, wir konnten nach drüben, ins gelobte Land, wo all die Sachen herkamen, die wir cool fanden. Nick hatte schon Monate vorher eine perfekte Route ausbaldowert, auf der wir bei allen wichtigen »Sehenswürdigkeiten« vorbeikommen würden, wie er sagte. Dass die nicht im Baedeker stehen würden, war klar. Bei unserem ersten Ziel waren wir uns noch einig: Wir mussten einfach die ehemaligen Büros der Spielefirma Epyx finden, die unsere Brotkastenwelt seinerzeit mit Brettern wie Summer Games und Impossible Mission auf den Kopf gestellt hatte. Auch Ziel zwei ging von mir aus noch klar: die Klippe, von der aus Luke und Ben Kenobi auf den Raumhafen Mos Eisley runtergucken. Die Szene hatte Lucas irgendwo im Tal des Todes gedreht, meinte der Beifahrer. Und drittens, da wurde es mir schon etwas zu viel, musste der Militär-Nerd Nick natürlich noch an die Stelle in der kalifornischen Wüste, wo 1971 eine Lockheed Blackbird abgestürzt war, einer dieser schwarzen Hyperschallaufklärer, mit denen man beim Quartett auf dem Schulhof immer abräumen konnte. Alle drei Aktionen endeten mit gloriosen Reinfällen, und zwar
    a) vor einem Zaun,
    b) im absoluten Nirgendwo oder
    c) an einem Ort, wo es im Schatten 40 Grad heiß gewesen wäre
    - wenn es denn welchen gegeben hätte. Bei manchen Sehensunwürdigkeiten kamen sogar a), b) und c) zusammen, was den Beifahrer natürlich erst recht dazu anstachelte, die Aktion für »endgeil« zu erklären. Weil die »Forschungsreise« - so hatte Nick das Desaster verklausuliert - derart erfolgreich war, haben wir sie ab dann jedes Jahr wiederholt, natürlich immer mit anderen popkulturellen Perlen auf der Agenda. Waren nicht immer leicht zu finanzieren, diese Zaun-Abenteuer. Damit die Kohle für die nächste Forschungsreise zusammenkam, mussten wir manchmal monatelang nur Hansa-Pils trinken und Schnelle Teller von Jokisch runterwürgen. Aber für das große Ziel galt es, Opfer zu bringen. Irgendwann sind aus den Forschungsreisen dann Dienstreisen geworden, die waren nicht mehr so lustig. Ein langes »Ääääääh« kommt von links. Nick rutscht stöhnend noch ein Stückchen weiter die Sitzfläche runter, sodass der Sicherheitsgurt bald unter seinen Achseln sitzt. Dann dreht er seinen Kopf in Zeitlupe zu mir um und schaut aus seinen rot umränderten Sehschlitzen zum Fenster rüber, wo die Krissi sitzt - solche Namen muss man einfach mit Artikel davor aussprechen. Seine Gesichtshaut sieht so fahl aus, als müsste er gleich Bröckchen husten. Nachdem er die Krissi kurz gemustert hat, verzieht er den Mund abfällig und dreht sich mit einem weiteren »Äääääh« wieder zurück. Irgendwie beruhigend zu sehen, dass ihn der Abend doch gerockt hat. Wir starren wieder auf den orangefarbenen Bezug der Rücklehnen vor uns. Super-Arschkarte gezogen: Captain Kranich hat extra für uns mal wieder den ollsten Seelenverkäufer aus dem Museum geholt, um uns damit über den großen Teich zu gondeln. Und ausgerechnet auf unseren Plätzen sind die persönlichen Bildschirme kaputt. Damit sind wir zurückkatapultiert in eine Zeit, in der »Inflight Entertainment« bedeutete, auf einen Tomatensaft zu warten. Währenddessen wird mein Dienstrechner, auf dem alle Folgen von »The Prisoner« lagern, samt Dienstwagen wahrscheinlich gerade auf irgendeinen Abschlepphof verfrachtet. Ich sehe dich - nicht! Oh Gott, ein Transatlantik-Flug ohne persönliches Unterhaltungsprogramm - das ist pure Agonie, ein Verstoß gegen die Genfer Konvention. Selbst Nick, der sonst zu

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