Extraleben - Trilogie
geköchelt hat - die Dorfdroge, die hier alle kaputt macht. Wer auch immer in der Bruchbude gerade vor sich hinschmort, er hat Stil. Direkt vor der Tür rosten zwei alte Camaros vor sich hin, solche Angeberschleudern aus den Siebzigern, die bei uns nur Zuhälter fuhren. Beide sind gelb lackiert, mit zwei schwarzen Go-faster-Streifen quer über Dach und Motorhaube. Früher haben die Muscle-Cars mal geglänzt, jetzt ist der Lack so matt wie der Staub im Straßengraben, und über den Radkästen sprießen Rostpocken aus dem Blech. Die Einfahrt zum Motel geht nicht zum Highway raus, sondern nach hinten, Richtung Trailerpark, was nichts anderes bedeutet, als dass in dieser Unterkunft niemals ein Ami mit geregeltem Einkommen absteigen würde. In diesem Land gibt es klare Übernachtungsregeln. Wer im Motel in der zweiten Reihe logiert, für den ist der amerikanische Traum geplatzt. Kurzer Blick in die White-Trash-Checkliste, ja, das Motel erfüllt alle Anforderungen: Aufgerissene Polstermöbel vor den Zimmern? Check. Stapelbare Restaurantstühle mit bordeauxrotem Kunstlederbezug im Zimmer? Check. Keine TV-Kanäle, weil der Motelbesitzer die Kabelrechnung nicht bezahlt hat? Check. Dafür hat uns der Aso im Office nicht schräg angeguckt, als wir zum Bezahlen unser Bares raus geholt haben. Zwei pickelige Teenies mit Baseballkappen klappern auf ihren BMX-Rädern vorbei, mitten durch Mückenschwärme, die in der Abendsonne über dem Schotterweg spielen. Für die Pickelbubis müssen wir ziemlich seltsam aussehen: ein blauäugiger Typ mit Nadelstreifenhose und verknittertem schwarzen T-Shirt. Daneben ein Dunkelhaariger mit Löchern in der braunen Cargohose und zerfetzten Chucks - der wirkt nicht ganz sauber, könnte von südlich der Grenze kommen. Wäre nicht das erste Mal, dass ich in der Mexikaner-Schublade lande. Jedenfalls zwei sehr seltsame Gestalten -zu abgefuckt, um auf Geschäftsreise zu sein, gleichzeitig zu alt für den Kumpeltrip. Bleibt wie immer nur eine Option übrig: Jungs aus San Francisco. Wir sind mal wieder im Air-Force-County angekommen, in einem der Nester, die nur deshalb existieren, weil hier die Luftwaffe eine Basis aufgemacht hat - oder die Nationalgarde, so eine Art von Schützenverein mit Düsenjägern. Im Park neben der Schule, an dem wir vorbeifuhren, thronte ein riesiger Jet auf einem Podest - »eine F-111«, wie der Beifahrer zu berichten wusste. Erstaunlicherweise hat er darauf verzichtet, ein Retrorätsel draus zu stricken, so nach dem Motto »In welchem Titel kommt das Wort >F-111< vor?«.
Ha, es wären natürlich die obskuren Sigue Sigue Sputnik gewesen mit »Love Missile F-111«.
Shoot it up. So abgefuckt, wie das Nest aussieht, sind die Fly Boys wohl schon lange abgezogen. Es wird halt niemand mehr gebraucht, der die Westgrenze der USA gegen anfliegende russische Bomber absichert. Drei Stunden südlich von hier haben die Generäle damals einen ganzen Berg aushöhlen lassen, um sich da ihren Atombunker einzurichten. Cheyenne Mountain, kennt man ja aus »War Games«.
Dieser Mistfilm verfolgt uns echt. Nachdem wir gewartet hatten, bis der Datacorp-Hubschrauber auch garantiert weg war, wagten wir uns ganz vorsichtig aus dem Parkhaus raus. Die Luft war rein. Da unsere Verfolger ja ohnehin schon wussten, wo wir sind, ist Nick nochmal schnell ins Terminal rein, um am Automaten Geld nachzutanken. Ich musste danach noch zwei Stunden lang fahren, bis wir uns einig waren, dass der Sicherheitsabstand zu Denver und unseren Verfolgern groß genug sei. Der Beifahrer bestand darauf, nur über Landstraßen zu holpern, anstatt die bequeme Interstate-Schnellstraße zu nehmen. Jetzt, eine Dusche und einen Trip zur Tanke später, geht sein Wunsch von vorhin in Erfüllung: Genüsslich setzt er seine Dose Mountain Dew an, seine absolute Lieblingslimo. Warum er nach diesem Monstertag - und obendrein fünf Minuten vor dem Schlafengehen - ein Getränk braucht, das so viel Koffein wie ein McDonald's Kaffee enthält, bleibt sein Geheimnis. Ich habe mich für ein Coors-Bier entschieden, das kommt sogar halbwegs aus der Gegend. Die Gewitterwolken haben sich in der Zwischenzeit verzogen, sodass die Abendsonne ungestört auf unsere Wangen brutzeln kann. Zum ersten Mal bleibt Zeit, richtig durchzuatmen.
»Jetzt spuck's schon aus, warum hat der Quirl abgedreht?«
Nachricht an mich selbst: Einen Hubschrauber »Quirl« zu nennen, klingt nur bei Chuck Norris gut, bei allen anderen nach Küchenutensil. Nick legt den Kopf etwas
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