Extraleben - Trilogie
nicht. Unser Ziel liegt also im nördlichen Wyoming oder in Montana, vermutlich kennt er die Location noch von seinem letzten Abenteuer im Atombunker. Außer nuklearen Relikten gibt's da oben nämlich nicht viel, nur ein paar Missile Alert Facilities, wo eine Legion armer Schweine immer noch rund um die Uhr mit der Hand am roten Knopf sitzen muss. Wer da oben wohl einen IBM einundfünfzig-zehn im Keller hat? Vielleicht so ein durchgeknallter Waldschrat. Den Bundesstaat Montana kennt der Rest von Amiland ja nur als die Heimat des Unabombers, eines durchgeknallten Inlands-Terroristen. Kaczynski hieß der Typ, war zunächst ein unauffälliger Matheprofessor. Irgendwann sind ihm die Sicherungen durchgebrannt und er fing an, in einer Hütte im finsteren Wald Bomben zu basteln. Er wollte die Welt von aller Technologie befreien oder so. Drei Leute mussten sterben, Mitte der Neunziger hat das FBI ihn gekriegt. Zu so einem Typen würde es natürlich passen, dass er seine Manifeste auf einem Computer von 1978 tippt.
»Komm schon - nur das Funkgerät?«, bettelt Nick und faltet die Hände. Ich muss lachen. Dann legt sich wieder Stille über unser Boot. Nein, so sehr wir uns auch anstrengen: Das entspannte Cruisen will sich nicht richtig einstellen. Wie sollte es auch, wenn jeder ständig klammheimlich in den Rückspiegel guckt, um zu checken, ob wieder irgendein Hubschrauber zum Sturzangriff ansetzt? Unser heiliges Tape hat Nick heute Morgen beim Einsteigen als Allererstes ins gekühlte Handschuhfach gelegt, und zwar so vorsichtig, als sei es ein Faberge-Ei. Bloß nicht irgendwo anstoßen, das könnte die wertvollen magnetisierten Metallatome auf dem Band stören, die - zumindest in meinem Kopf - wie Dominosteine im Wind wackeln. Ob wir wohl schon Stoff für eine Story auf CNN sind? Sehe schon das Laufband unten am Bildrand: GERMAN TERROR SUSPECTS IN CROSS COUNTRY CHASE. Die von CNN finden bestimmt irgend'nen Dreh, um uns zu Feinden des Homeland hochzustilisieren. Auf der anderen Seite: Wen interessiert's, was die senden? Okay, zu Zeiten des ersten Golfkriegs, von Bush Senior oder O.J. Simpson war CNN noch relevant. Aber heute läuft da allenfalls Promi-Klatsch. Das Bewusstsein der Welt ist schon lange ins Netz abgewandert.
#26 T-3: 18:45
»Detroit produziert auch nur noch Schrott!“ Fluchend drischt Nick auf die Knöpfe der Klimaanlage ein.
»Das kann doch nicht ...“ Fump - seine Faust landet auf dem Temperaturregler. Ich spare mir das »Siehste«, weil ich weiß, dass ihn mein Schweigen viel mehr aufregt. Stattdessen fixiere ich, ganz der professionelle Fahrer, den Mittelstreifen des Highways. So, mein Freund, jetzt steht es eins zu eins im Idiotenduell. Warum musste er sich als Gadget-Methadon ausgerechnet die Klimaanlage aussuchen? Bestimmt zehn Minuten hat er dran rumgefrickelt: Automatik an, Automatik aus, Lüftung hoch und wieder runter. Plötzlich ist das Teil mit einem leisen Zischen unter der Folter zusammengebrochen. Ende, aus. Seitdem kriecht die Hitze gnadenlos von draußen rein. Bravo, Alter, in zwanzig Jahren auf dem Highway haben wir noch nie eine Klimaanlage zerstört. Ganz toll. Fump! Nicks Faust donnert wieder auf die Knöpfe.
»Scheiße!«
Er schüttelt sich die Hand. Oh Mann, der Herr hat es tatsächlich geschafft, sich bei seinem letzten Handkantenschlag gegen die Lüftungsdüsen die Haut aufzuratschen. Während er in voller Tetanus-Panik seine rechte Hand ablutscht, fingert er mit der linken das Tape aus dem Handschuhfach und schiebt es vorsichtig unter den Sitz. Ab sofort der kühlste Platz. Schweigend lasse ich alle Fenster runter. Das wird dem Mann, der nichts mehr fürchtet, als Zug zu bekommen, schwer zusetzen. Doch er hält die Klappe, weil er weiß, dass es keine Alternativen gibt. Wenn das Band keinen Schaden nehmen soll, darf es nicht warm werden, sonst gibt's nachher Datenfehler. Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie doch tatsächlich ein kleines rotes Rinnsal seinen Arm runterkullert.
»Alles okay, Alter?«
»Alles okay«, grummelt Nick. Klar, warum er so leicht auszuckt. Und er weiß, dass ich es weiß. Denn es gibt diese eine Sache, die schon seit unserem Abflug aus Deutschland im Raum steht. Es ist im Prinzip eine ganz einfache Frage: Hat es ausgereicht, Sabina mit dem Kind zu ihrer Mutter zu schicken? Oder hat die Datacorp sie auch ins Visier genommen? Eine Organisation, die Mitarbeiter einfach mal so wegsperrt - die hat doch wahrscheinlich auch keine Probleme damit, Sabina zu
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