Extraleben - Trilogie
Jahrtausendwende ist im Netz ein Typ aufgetaucht, der sich John Titor nannte und erklärte, ein Zeitreisender aus dem Jahr 2036 sein zu.«
Oh Mann, voller Bullshit voraus!
»Ne, is klar«, feixe ich. Wie üblich tut der Beifahrer so, als wäre ich Luft.
»Jedenfalls behauptete Titor, rückwärts in der Zeit gereist zu sein, um einen bestimmten Computer zu beschaffen. Einen und jetzt kommt's ... «
Vor lauter Vorfreude fluppt ihm ein senfverschmierter Jalapeno aus dem Mund und kullert in seinen Schritt.
»... einen IBM aus der Einundfünfziger-Serie!«
Genauso ein seltener Rechner wie der, hinter dem wir her sind, um damit unser Tape auszulesen? Okay, das ist ein erstaunlicher Zufall. Damit hast du dir eine zweite Chance verdient, Alter.
»Warum gerade den?«, erkundige ich mich. Nick versucht, mit einer Serviette das grüngelbe Scheibchen zu schnappen, bevor es noch weiter unter seinen Hintern rutschen kann.»Äh, ja, Titor sagte, er brauche ihn, um in der Zukunft damit irgendeinen Legacy Code auszulesen. Also im Prinzip war er auf der gleichen Mission wie wir.«
»Und? Hat er einen gefunden?«
Schnapp! Er fängt die Chilischeibe ein - und stopft sie doch tatsächlich in das Sandwich zurück! An solchen Details merkt man, dass er ziemlich lange allein gelebt hat.
»Keine Ahnung. Titor verschwand wieder in der Versenkung - allerdings nicht, ohne ein paar düstere Prognosen abzusondern. Er orakelte, dass 2004 ein Bürgerkrieg in den USA ausbricht und die Russen 2015 alles nuken und so weiter.«
»Du glaubst doch nicht im Ernst, dass da irgendwas dran ist, oder?«
Nick nimmt das Sandwich aus dem Mund, um wenigstens einen Funken Seriosität zu versprühen.
»Okay: Etwas nachdenklich bin ich geworden, als Titor behauptete, seine Zeitmaschine sei in einer Corvette von 1967 untergebracht ...«
Er muss so heftig lachen, dass ein Krümelregen aus seinem Mund auf das Handschuhfach niederprasselt. Die letzten weiß getünchten Holzhäuschen huschen vorbei und das 55-Meilen-Temposchild erklärt die Ortschaft für beendet. Der Zuckerschock vom Sandwich kickt jetzt richtig rein und wir lachen, bis uns die Tränen in den Augen stehen. Japsend legt Nick nach: „Wusstest du eigentlich, dass die Russen im Zweiten Weltkrieg Supersoldaten eingesetzt haben: Die bekamen ein Hirnimplantat aus Gold verpasst, das ihr Schmerzzentrum ausschaltete -und kugelsichere Titanknochen. 1994 haben sie in Vitebsk auf einem alten Friedhof die Leiche eines Mannes gefunden, dessen Knochen aus Stahl bestanden - kein Scheiß!«
Wir biegen uns vor Lachen und vergessen für ein paar Minuten sogar, die Seitenspiegel im Blick zu behalten.
#28 T-3: 08:03
Endlich wieder Bonanza. Es gibt nichts Schöneres, als wenn es in der Wirklichkeit aussieht wie in einer Fernsehserie. Das ist dann wie Nach-Hause-Kommen. Wenn man zum Beispiel nach Südkalifornien reinfährt, fühlt man sich sofort heimisch, weil es original aussieht wie auf einem Planeten, auf den sich Kirk und Spock runterbeamen könnten - zusammen mit den Typen, die ein rotes Oberteil tragen und garantiert nicht zurückfliegen. Und wenn die kalifornische Landschaft mal nicht nach StarTrek-Planet aussieht, dann erinnert sie zumindest an die Hügel im Vorspann von M.A.S.H. Und hier ist halt voll Bonanza. Lorne Green alias Ben Cartwright könnte gleich um die Ecke reiten. Der Highway schlängelt sich durch ein enges Tal, das völlig mit Kiefern zugewachsen ist - die heißen sogar Ponderosa Pines, hat uns mal 'n Motelbesitzer erzählt. Ab und zu blitzt im Wald eine Lichtung auf, über die ganz gemächlich ein paar pechschwarze Rinder trotten. Abgerundet wird die Bonanza-Kulisse durch diese Zäune aus verwitterten Baumstämmen, an die sich theoretisch nonstop ein Cowboy lehnen müsste, um sich ein Streichholz an der Sohle seines Stiefels anzureißen. Von der verdammt schönen Vorabendserien-Landschaft und dem rosaroten Vorabend-Himmel kriegt der Beifahrer allerdings nichts mit. Er steckt immer noch auf seinem kleinen Nerd-Planeten fest. Den gesamten Nachmittag hibbelte er schwitzend auf seinem Sitz herum und ließ eine abstruse Theorie nach der anderen vom Stapel. Zehn Prozent Transpiration, neunzig Prozent Konspiration. Für diese Gespräche hat sich im Laufe der Jahre eine bewährte Dramaturgie eingeschliffen. Nick fängt an, indem er sein Hirngespinst du jour total detailverliebt und mit der angemessenen Aufregung präsentiert. Als Nächstes bin ich an der Reihe, die Offenbarung möglichst
Weitere Kostenlose Bücher