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Extraleben - Trilogie

Extraleben - Trilogie

Titel: Extraleben - Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Constantin Gillies
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Helden in unseren ersten Büchern mit Text waren selbstverständlich Astronauten, und schon vor der Einschulung kannten wir uns bestens mit Begriffen wie Lunar Excursion Module, Earth Orbit Rendezvous oder Brennschluss aus. Es war das Nachglühen des Space Age, das nur eine Botschaft kannte: Technologie ist dein Freund. Wenn wir heute sehen, wie die Leute in »2001« im Mondbus durch die Gegend rasen, denken wir nur noch: Was das kostet! Unvorstellbar bei den Defiziten! Und erst die Umweltverschmutzung durch die ganzen Flüge! Da haben die Achtzigerjahre wirklich ganze Arbeit geleistet - ein Jahrzehnt, das es in all seiner Technikfeindlichkeit sogar geschafft hat, uns das Kabelfernsehen mies zu machen. Noch heute sehe ich die Graffiti an der Schulwand vor mir: »Lass' dich nicht verkabeln.«
    Wie auch immer, die Zeit kommt nicht zurück, und alles, was uns bleibt, ist, jeden Coffeeshop, jede Tankstelle und jedes Motel mit unserem Geld zu unterstützen, das das gloriose Präfix »Astro-« im Namen trägt - Monumente des Optimismus wie der Apollo Liquor Superette in Austin/Minnesota, ein Schnapsladen, dessen Neonschild sogar die Form einer Mondkapsel hat. Einige wenige dieser Locations hatten das Glück oder Pech, von alternden Frühnostalgikern wie uns zu Kultstätten erhoben zu werden und so zu überleben, der große Rest verschwindet für immer. Wer sollte sie auch besuchen? Letztens habe ich gelesen, dass selbst Schüler, die im Schatten des Kennedy Space Center zur Highschool gegangen sind, kein Interesse an einem Job bei der NASA haben. Da stellt sich die Frage, wie es mit uns überhaupt weitergehen soll, wenn die Ambitionen an der Wolkendecke enden. Aber das ist natürlich nur Sozialromantik, schließlich gibt es ja nicht einmal mehr ein »wir«, Opa, hör auf, aus dem Krieg zu erzählen. Gerade als Astronaut Bowman in diesen Raum kommt, der aussieht, als hätte ihn Versace auf Koks designt, reiße ich das letzte Videospielmodul aus unserem Lesegerät. Jetzt kommt der große Moment: Nick startet das Auswertungsprogramm. Aus irgendwelchen Gründen, die er mir auch erklärt hat und die ich trotzdem nicht verstanden habe, dauert es ein paar Minuten, bis der Rechner alle ROMs mit den sauberen Datensätzen aus dem Netz verglichen hat. Wir stromern also wie zwei werdende Väter durch den Raum, die noch das Glück haben, vor dem Kreißsaal warten zu dürfen. Zur Klimaanlage, zurück, dann zum Fenster. Ich schiebe wie in einem Marlowe-Krimi die Jalousienlamellen auseinander und kneife die Augen zusammen. Unbeeindruckt von meiner Inszenierung schaut mir Nick über die Schulter.
    »Sag mal, Alter, der graue Ford Taurus - hat der nicht auch schon vorm Black Hole geparkt?«
    Junge, Junge, schon wieder Vertuschungsalarm. Langsam drückt die Enttäuschung von heute Morgen auch auf meine Stimmung. Ich zwänge mich neben ihn vor das Fenster. Okay, da steht ein Wagen, na und?
    »Ja genau, Nick, das ist dieser eine von den 475324 grauen Ford Taurus auf dem amerikanischen Kontinent, der vorhin vorm Black Hole geparkt hat.«
    Etwas indigniert schwingt sich mein Dude auf sein Bett zurück, um einen Blick auf das Ergebnis unserer Arbeit zu werfen. Ausgelesene Module: 50, davon defekt: 5. Abweichungen von den Referenzdaten: 80 Byte, überraschenderweise nicht in einer E.T.-Cartridge, sondern einem Pac-Man -Modul, der grottenschlechten Adaption des Spielhallenklassikers. Von einer Sekunde auf die nächste wirkt Nick, als ob er in eine Steckdose gefasst hätte. Wild hämmert er auf die Tastatur seines Rechners ein, öffnet und schließt Programme im Sekundentakt. Als ich ihn frage, was er macht, schaut er nicht mal hoch.
    »Also, bei Raid over Moscow hatten unsere Freunde den Text mit der Adresse nach dem Vigenère-Verfahren verschlüsselt. Mal sehen, ob das wieder funktioniert ...«
    Ich versteh kein Wort.
    »Erklär mal.«
    »Pass auf, es funktioniert so. Der Text wird mit einem Geheimwort verschlüsselt. In unserem Fall heißt das Geheimwort DATACORP und beginnt mit einem >d<, also dem vierten Buchstaben im Alphabet. Jetzt verschiebst du einfach den ersten Buchstaben des verschlüsselten Textes quasi um drei Stellen nach links; aus einem >m< zum Beispiel wird dann ein >j<. Das nächste Schriftzeichen im verschlüsselten Text bleibt gleich, da das >a< aus ATACORP ja der erste Buchstabe des Alphabets ist. Dann kommt als Nächstes ein >t< im Geheimwort, der neunzehnte Buchstabe im Alphabet, und du verschiebst den Buchstaben im Quelltext

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