Extraleben - Trilogie
macht. Hatte man früher auch nicht.«
Wir lachen, irgendwie erleichtert, und fangen an, uns auszumalen, welche Sätze wir ab sofort in unser Repertoire aufnehmen müssen. Ich starte mit einem Klassiker meiner Mutter: »Auf dem Wasser ist es kalt, zieh dich warm an.«
Nick kontert mit: »Es gibt kein schlechtes Wetter, sondern nur unangemessene Kleidung.«
Wow, er muss echt eine schwere Kindheit gehabt haben. Ich wusste ja, dass sein alter Herr ein Spießer ist, aber dieser Spruch? Hardcore. Außerdem fällt uns noch ein: »Bei heißem Wetter kühlt warmer Tee viel besser als eine kalte Cola« und »Die schlimmsten Sonnenbrände holt man sich bei bewölktem Himmel«.
Langsam wirken die Biere, und wir steigern uns richtig in die Sache rein. Nick ist wieder am Zug: »Jürgen sagt: Restaurants, vor denen Fernfahrer und Polizisten parken, bieten meist qualitativ gutes Essen zu günstigen Preisen an.«
Jürgen heißt sein Vater. Scheint sich um eine typische Väterweisheit zu handeln, denn ich kann mit meinem Dad kontern: »Wenn das Restaurant leer ist, gibt es dafür einen guten Grund.«
Nick grätscht dazwischen: »Genau, dass man um 17Uhr 46 sein Abendessen einnimmt, zum Beispiel. «
Wir lachen noch mal und stoßen mit unseren Longnecks auf Polizisten an, die bei 45 Grad unter bedecktem Himmel eine überteuerte, aber dafür umso kältere Cola trinken. Ohne sich vorher mit Sonnencreme eingeschmiert zu haben, natürlich. Dann folgt wieder eine dieser langen Pausen, in die nur der Mann aus der Jukebox reinjammert. Plötzlich schwingt die Tür auf, und durch die Supernova des Tageslichts kommen die ersten einheimischen Gäste rein. Es ist ein junges Pärchen, sie Kosmetikerin, er Farmer oder Trucker, mit einem schwarzen T-Shirt, auf dem in weißen Buchstaben »GUNS« steht. Nick starrt in seine Bierflasche und guckt hoch, als wollte er irgendetwas sagen. Dann stoppt er, schaut etwas traurig zur Bar rüber. Schließlich setzt er doch an, den Blick halb Richtung Decke gerichtet: »Tja, der Sarge von gestern hat sicher längst den Stecker rausgezogen und unsere Highscores gelöscht.«
Ich verstehe nicht, in welche Richtung die Reise gehen soll, und versuche es mal mit einem Witz auf der Geek-Ebene: »Es sei denn, die haben die Kiste mit Flashrom nachgerüstet. «
Doch an Nicks Gesichtsausdruck sehe ich, dass er mit seiner Bemerkung was anderes, was Wichtiges sagen wollte, deshalb schiebe ich eine ernsthafte Frage hinterher: »Was ist los, Alter, hast du den Blues?«
Das scheint ihm dann wohl doch ein bisschen zu frauenmäßig zu sein, und er wiegelt ab.
»Nee, nee, ich meine nur - was machen wir hier eigentlich?«
»Na, das Gleiche wie seit 15 Jahren.«
Genau damit scheint Nick ein Problem zu haben: »Ja, aber was ist das denn? Wir fahren wochenlang durch die Gegend, um dann vor irgendwelchen Zäunen zu stehen. Und selbst wenn wir uns trauen würden, drüberzuklettern, wäre da bestenfalls irgendein zwanzig Jahre alter Schrott. Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber manchmal komme ich mir vor wie Marty McFly, der glaubt, er könne rückwärts in der Zeit reisen, wenn er nur genug Gas gibt.«
Davon abgesehen, dass dieses Bild hinkt und platt ist, bin ich jetzt ziemlich beleidigt - schließlich war es vor allem Nick, der in all den Jahren die Retrofahne hochgehalten hat. Vielleicht etwas zu scharf schieße ich über den Tisch: »War's denn nicht gut?«
Nun ist Nick an der Reihe, einen Schritt zurück zu machen: »Klar, ist ja auch wieder lustig dieses Mal, mit der Datacorp-Geschichte und so. Ich meine nur.«
Er schiebt verlegen die Tabasco-Flasche hin und her und nuschelt »auch egal«, In diesem Moment taucht Suzi mit zwei gigantischen Steaktellern auf, die sie zusammen mit einer ganzen Batterie von Steaksoßen auf die Tischplatte krachen lässt, ehe sie das vorgeschriebene »Enjoy« abspult. Voller Erleichterung darüber, aus dieser deutlich zu emotionalen Situation gerettet worden zu sein, greifen wir zu unseren Steakmessern. Die Dinger sehen verdammt gut aus, aus Nicks Lappen tropft förmlich das Blut. Gerade kein Muh mehr drin, so, wie er es mag - das verfehlt seine Wirkung nicht. Sein Gesicht hellt sich auf, und alles sieht danach aus, als ob der Abend seinen normalen Gang nähme. Schon nach dem ersten Bissen fängt mein Blutsbruder wieder an rumzuspinnen: »Was für nen Wagen würde Bandit wohl heutzutage fahren? Sicher keinen 81er TransAm mehr.«
Wir wägen kurz ab und entscheiden uns für eine Dodge
Weitere Kostenlose Bücher