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Extraleben

Extraleben

Titel: Extraleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Constantin Gillies
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gehörte einfach in jeden Rucksack, samt zwei Landjäger- Würstchen und einer halb ausgelaufenen Capri-Sonne. Mein Gott, wie haben wir das gehasst, irgendwelchen Pfadfindermist singen zu müssen, obwohl wir eigentlich nur darüber diskutieren wollten, ob Darth Vader der Vater von Luke Skywalker ist oder wie viel »U/Min« der Lamborghini Countach schafft. Aber jetzt und hier würde ich meinen letzten Dollar für eine Mundorgel geben, nur um dieses Lied singen zu können, wo es »Harung« statt »Hering« heißt, damit sich die Zeile auf »Erfahrung« reimt, und in dem mindestens zweihundert »Fi-de-ra- la-la« vorkommen. Unwillkürlich beginne ich die Melodie vor mich hinzupfeifen, während das feuchte Moos unter meinen Sohlen quietscht. Heute könnte gut und gerne der beste Tag in diesem Jahr werden, vielleicht sogar in diesem Jahrzehnt. Selten zuvor auf dieser Reise schien das Morgenlicht so hell; die Zukunft liegt wie eine Eidechse auf einem warmen Stein und aalt sich in der Sonne. Nick, der Job, Deutschland - alles ist unendlich weit weg. Achtung, jetzt nur nicht den Refrain verpatzen: »Fi-de-ra-Ia-la-la-la «, mit Betonung auf den letzten zwei »la«, Ich komme mir vor wie Tim der Reporter auf dem Weg zu seinem nächsten Abenteuer, auf eine diffuse Art pfiffig . Grönland ist um diese Jahreszeit wie gemacht für Indoor- Menschen: Es gibt keinen Baum und keinen Strauch, der höher als bis zum Knie reicht. Wenn ein Hügel den Weg versperrt, ist er meist so flach, dass man einfach darüber hinwegspazieren kann; Felsen, um die man einen Bogen machen muss, sind selten. Die meiste Zeit laufe ich durch weite Täler, die über und über mit arktischen Blaubeeren bewachsen sind. Sanft - das ist das Wort. Die Landschaft ist sanft, und wären da nicht die verdammten Mücken, könnte man sagen: perfekt. Für meinen letzten Besorgniskauf, den Kompass, habe ich bislang noch keine Verwendung gefunden. Da nichts den Ausblick verstellt, lässt es sich leicht navigieren: Man geht einfach geradeaus. Ab und zu reicht ein Blick auf die Wanderkarte, um die Position zwischen den verschiedenen »Points« zu bestimmen, mit denen die Amis die Anhöhen markiert haben. Ansonsten findet man sich wie im Märchen zurecht: rechts vorbei an dem Hügel mit der Felsenglatze, dann weiter den kleinen Fluss entlang und durch das kleine Tal mit den Birken. »Fideralala« pfeife ich und marschiere stramm voran, wahrscheinlich viel zu stramm und total unökonomisch, aber sich jetzt nicht dem Überschwang hinzugeben, wäre einfach zu schade. Leider lässt sich die Skepsis nicht ganz abschalten: Alles läuft so glatt ab, dass es eigentlich nur noch Minuten sein können bis zum erstem Reality Check, bis ich im Treibsand versinke, den es hier wirklich geben soll - oder bis mir ein Moschusochse das Rückgrat herausreißt. Der ist nämlich an diesem nahezu vollkommenen Morgen mein Angstgegner. Auf der Rückseite der Wanderkarte warnt das örtliche Tourismusbüro eindringlich vor dieser Mischung aus Schaf und Ochse. Dem ortsfremden Wanderer legt der einheimische Autor folgende Grundregel ans Herz: »Wenn du die Moschusochsen atmen hörst, bist du zu nah dran.« Dann nämlich würden sich die Bullen zu einem Kreis formieren und angreifen, ermahnt der Text; ein Sicherheitsabstand von mindestens fünfzig Metern sei deshalb einzuhalten. Aber natürlich hätten die Tiere mehr Angst vor uns als wir vor ihnen und so weiter, blablabla. Aus meiner Warte stellt sich die Sache so dar: Erst wenn der Moschusochse als Wurst auf dem Brot liegt, bist du außer Gefahr. Also mache ich sicherheitshalber jedes Mal einen Riesenbogen. sobald am Horizont auch nur ein schwarzer Punkt zu sehen ist. Nach zwei Stunden kommt mein Ziel ohne großen Paukenschlag in Sicht: eine alte Dew-Station auf dem Gipfel eines Berges, wie erwartet. »Mountain Dew!«, den Witz könnte sich Nick an dieser Stelle sicher nicht verkneifen. Mensch, was hätte der Spaß hier, zwischen all dem Zeug aus dem Kalten Krieg. Nachdem der erste Elterntipp, um die Zeit schneller vorbeigehen zu lassen - was singen - aufgebraucht ist, bleibt nur noch der zweite Klassiker: sich unterhalten. Und, Nick, was war das geilste Zockerlebnis aller Zeiten? Ghostbusters , hm weiß nicht. Oder Green Beret ? Trotz aller Hammerspiele, die uns - warum auch immer - beim Erscheinen wie Erdbeben vorkamen, würde ich sagen: Magnum . Wie lange ist das her, Unterstufe oder schon Mittelstufe? Spielt eigentlich keine Rolle. Jedenfalls war

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