Extrem: Die Macht des Willens (German Edition)
dazu in eine Art Gewächshaus, in dem sich unzählige große Wannen befanden. In jeder dieser Wannen hausten dreißig bis vierzig Krokodile, die erst ein paar Tage alt waren. Obwohl sie noch recht klein waren und niedlich ausschauten, reagierten sie auf meine Putzaktion schon recht aggressiv und schnappten nach mir. Bei den kleinen Krokodilen war das noch ungefährlich und nett anzuschauen, doch bei den älteren musste ich höllisch aufpassen, dass sie mich nicht erwischten. Nach dem Reinigen der Gehege standen das Zubereiten der Nahrung und schließlich die Fütterung der Krokodile auf dem Programm. Das war für mich immer einer der Höhepunkte des Tages. Mit gut fünfzehn Eimern, randgefüllt mir Pferdefleisch, fuhren wir zu den Krokodilen. Mit Schubkarren beförderten wir die Eimer zu den einzelnen Gehegen, was eine große Aktivität der Krokodile zur Folge hatte. Von einer Sekunde auf die nächste wurden aus den scheinbar toten Geschöpfen bewegungsfreudige, sehr impulsive Tiere. Als ginge es um Leben und Tod, stürzten sie sich auf jeden Brocken Fleisch. Dabei stellten sie ihre sehr eindrucksvollen Zähne zur Schau. Ich war fasziniert von der Impulsivität und Eleganz dieser Tiere. Doch es wurde nicht den ganzen Tag über nur gearbeitet. Die Australier und insbesondere Ray hatten in diesem Punkt eine relativ lockere und entspannte Haltung. Ray nahm sich häufiger längere Pausen, gönnte sich dann immer das eine oder andere Bier und schaute sich stundenlang Cricket im Fernsehen an. Ich fragte mich nach ein paar Tagen: Warum macht er das? Was sind seine Motive, alleine, ohne Familie und Angehörige, hier zu leben und zu arbeiten? Ich stellte ihm eines Tages genau diese Frage. Und er sagte mir in seinem typischen australischen Slang: „Hey mate, no worries. I love it to be here. The quietness, the beautiful nature and the simplicity of life. I don’t miss anything in my life.“ Ray liebte es, hier leben zu können. Die Ruhe, die Natur und das einfache Leben beeindruckten ihn. Ray war sich also absolut im Klaren darüber, warum er hier alleine in der größten Einöde lebte und arbeitete. Man braucht im Leben nicht viele materielle Dinge, um glücklich zu sein, und dennoch kann man reich sein. Reich an Erfahrungen. Und Ray war ein reicher Mann. Seine innere Ruhe, seine Gelassenheit und seine Zufriedenheit zeigten mir dies. Er hatte klare Motive und lebte nach diesen.
Und genau darum geht es: Wir müssen uns über unsere Motive klar werden und uns diese immer wieder ins Bewusstsein rufen. Gerade wenn es einmal nicht so läuft. Warum mache ich das? Warum gehe ich meinem Job nach? Warum betreibe ich gerade dieses Hobby? Nur wenn wir ein attraktives Motiv haben, kommen wir morgens leichter aus dem Bett. In meinen Firmenvorträgen stelle ich den Zuhörern genau diese Fragen: Warum arbeiten Sie in der Firma XY? Was sind Ihre Motive für Ihren gegenwärtigen Job? Dann mache ich bewusst eine Pause und schaue mir ihre Reaktionen an. Nicht selten sehen mich dann fragende Gesichter an nach dem Motto: „Bücher, was willst du von uns?“
Sie müssen dabei kein Extremsportler, Farmer oder Künstler sein oder ein außergewöhnliches Leben führen, um für sich ein attraktives Motiv zu haben. Schon ganz alltägliche, „normale“ Tätigkeiten können sinnvoll sein und ein Motiv beinhalten. Auch dazu möchte ich Ihnen ein selbst erlebtes Beispiel erzählen: Am vergangenen Samstag hatte ich die Ehre, während meines Fernsehauftritts bei „Menschen der Woche“ mit Frank Elstner den jüngsten Sternekoch Deutschlands, Sören Anders, kennenzulernen. Mit seinen 24 Jahren ist er Küchenchef in der renommierten Oberländer Weinstube in Karlsruhe und erhielt in diesem Jahr vom bekannten Michelin Guide einen Stern. Er steht teilweise von früh morgens bis spät abends in der Küche. Tag für Tag. Und während er mir von seiner Tätigkeit und seinem Leben erzählt, da funkeln seine Augen. Er strahlt über beide Ohren und hört gar nicht mehr auf zu erzählen. Auch beim Gespräch mit Frank Elstner kann man seine Begeisterung für das Kochen bei jeder Frage spüren. Auf die Fragen „Warum kochen Sie? Warum stehen Sie den ganzen Tag über in der Küche?“, antwortete er: „Weil es mir Spaß macht. Weil es mir Freude macht, für andere Menschen zu kochen.“ Das ist doch ein starkes Motiv, oder? Selbst eine Tätigkeit wie Kochen kann eine Erfüllung darstellen, wenn man für diese ein entsprechendes Motiv hat.
Mit der Frage nach
Weitere Kostenlose Bücher