Extrem: Die Macht des Willens (German Edition)

ich mich über Dinge ärgere oder wenn ich mich nicht so toll fühle. Oder ich rufe mir folgendes Szenario ins Gedächtnis: Auf der Erde leben über sieben Milliarden Menschen. Und jeden Tag werden es mehr. Wie unbedeutend bist du in Anbetracht dieser Zahl? Die Erde ist nur ein ganz kleiner Fleck im riesigen Universum. Wie klein bist du dagegen als einzelner Mensch? Stellen Sie sich genau diese Fragen, wenn gerade wieder einmal alles über Sie zusammenbricht oder Sie in einer scheinbar kritischen Lage stecken. Und was merken Sie? Sie fühlen sich besser als zuvor, richtig? Machen Sie diese Übung. Stellen Sie sich diese Fragen: Wie viele Menschen auf der Welt wären wohl überglücklich, wenn sie mit mir tauschen könnten? Wie unbedeutend ist mein Problem im Vergleich zu den Sorgen anderer bei über sieben Milliarden Menschen? Wie klein sind ich und mein Problem im riesigen Universum?
    Unser momentaner Blickwinkel spiegelt nicht immer die wahre Situation wider, sondern stellt nur eine von vielen Möglichkeiten dar, wie man Dinge wahrnehmen kann. Es handelt sich dabei nur um einen kleinen Ausschnitt aus dem Gesamtbild, das man von einer bestimmten Situation haben kann. Wenn ich meinem Fotografen Christian bei der Arbeit über die Schulter schaue, dann bin ich häufig erstaunt, wenn ich die Bilder von den Laufabenteuern sehe. Es existiert zum Beispiel ein Foto, das bei trübem und regnerischem Wetter aufgenommen worden war. Ich habe in Erinnerung, dass ich mich auch körperlich nicht so gut fühlte. Doch wenn ich das Bild nun betrachte, zeigt es einen ganz anderen Ausschnitt aus derselben Situation. Man sieht einen gut gelaunten Läufer in einer hellen, freundlichen Umgebung.
    Ist Ihnen auch schon aufgefallen, wie viele Menschen in Deutschland und Österreich mit einem unzufriedenen Gesichtsausdruck durch die Gegend laufen? Keine Begrüßung, keine freundlichen Worte, kein Lächeln. Lieber wird geschimpft und gejammert. Wie viele Menschen lassen sich in diesem Zustand durch ganz banale Dinge aus der Fassung bringen? Da empfindet man es zum Beispiel als wahre Katastrophe, dass man nicht sofort einen passenden Parkplatz findet, oder man steigert sich in seine Aggressionen, weil man ein paar Minuten an der Kasse warten muss oder weil die Bahn ein paar Minuten Verspätung hat. Man sieht wie mit Scheuklappen und hat nur eine bestimmte Perspektive im Kopf. Sind es solche Situationen wert, dass man hektisch und unfreundlich durch die Welt geht? Nehmen wir doch unsere Katastrophenbrille ab und versuchen wir, jeder Situation etwas Positives abzugewinnen. Wirklich jeder. Wenn Sie zum Beispiel mehr Zeit brauchen, um einen Parkplatz zu finden, dann machen Sie sich bewusst, dass Sie einfach noch länger in Ihrem tollen Auto fahren können. Denken Sie daran, dass die meisten Menschen überhaupt kein Auto besitzen. Oder wenn Sie in Ihrem Job gerade ein schwieriges Telefonat hinter sich gebracht haben, dann rufen Sie sich ins Bewusstsein, dass man sich durch solche Aufgaben persönlich weiterentwickeln kann. Auch wenn diese Denkweise nicht sofort Ihr Problem löst, so hilft sie Ihnen dabei, Ruhe zu bewahren. Wie wir später noch erfahren, haben die Gedanken eine sehr starke Macht über uns.
    Eine weitere gute Methode, seinen Blickwinkel zu verändern, ist die Welt einmal durch die Augen eines Kindes zu betrachten. Daran glaubte ich lange Zeit selbst nicht, bis ich im März 2010 Vater einer Tochter wurde. Dadurch änderte sich nicht nur mein Leben, sondern auch meine eigene Perspektive. Ich finde es einfach erstaunlich, wie Kinder an Situationen herangehen. Wie sie für Erwachsene selbstverständliche Dinge ganz anders sehen. Wie sie Gegenstände anfassen und mit Neugierde ihre Umgebung erfahren. Für uns Erwachsene ist beispielsweise ein Stück Alufolie eben ein Stück Alufolie. Sie stellt für uns nichts Besonderes mehr dar, oder? Für ein Kind sehr wohl. Für ein Kind ist dieses silbrig schimmernde Papier nämlich ein faszinierender, spannender und hochinteressanter Gegenstand, mit dem man sich stundenlang beschäftigen kann. Von der Neugier, der Lernbereitschaft und der Aufmerksamkeit, die Kinder alltäglichen Dingen beimessen, können wir uns Erwachsene eine Scheibe abschneiden. Sehen Sie die Welt öfter einmal mit den Augen eines Kindes und manches Problem wird sich relativieren.
    Auch wenn bei meinem Lauf auf La Réunion bei Kilometer 122 äußerlich vieles gegen mich sprach, konnte ich alleine mit meiner inneren Haltung