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Extrem: Die Macht des Willens (German Edition)

Extrem: Die Macht des Willens (German Edition)

Titel: Extrem: Die Macht des Willens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norman Bücher
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an Laufen dann gar nicht mehr zu denken. Ich schleppe mich durch die klare, sommerliche Nacht. Der Vollmond lässt die Felder und die Bäume um mich in einem faszinierenden Licht erscheinen. Die Luft ist sauber und rein und selbst um zwei Uhr morgens noch angenehm warm. Traumhafte Bedingungen für einen Nachtlauf durch den Schwarzwald. Doch ich kann diese sagenhafte Atmosphäre überhaupt nicht genießen, denn ich bin viel zu sehr mit mir und meinen Magenschmerzen beschäftigt. Selten zuvor musste ich mich bei einem Ultramarathon dermaßen quälen. Mit einer großen Portion Frust über mich und meine Überheblichkeit marschiere ich Meter für Meter weiter. Für einen kurzen Augenblick schwanke ich zwischen Aufgeben und Weitermachen. Was soll ich tun? Macht das Ganze überhaupt noch Sinn? Der vernünftige Teil in mir sagt: „Hör doch auf, du quälst dich doch unnötig. Du wärst in einer Stunde daheim in deinem bequemen Bett.“ Doch der andere, der willensstarke Teil antwortet sofort: „Morgen würdest du es bitter bereuen, wenn du jetzt das Rennen abbrichst. Geh weiter!“ Die Willenskraft hat dieses Mal über die Vernunft gesiegt. Nach fast dreizehn Stunden erreiche ich fix und fertig das Ziel. Die sehr lehrreiche Erkenntnis, die ich durch diesen Lauf gewonnen habe, lautet: „Nichts ist unwichtig, alles ist wichtig.“ Das ist mir bei diesem Rennen in Karlsruhe wieder bewusst geworden. Selbst wenn ich heute nur fünf Kilometer laufe, dann genießen diese fünf Kilometer meine volle Aufmerksamkeit. Wir sollten nie eine Aufgabe unterschätzen, ganz gleich, wie unbedeutend sie auch erscheinen mag. Auch wenn sie auf den ersten Blick sehr einfach ausschaut, sollten wir immer mit der nötigen Konzentration an sie herangehen. Mit der gleichen Konzentration, als wäre sie die wichtigste Aufgabe des Tages. Die Haltung „Das mache ich mit links“ sollten wir ganz schnell aus unserem Kopf streichen. Es gibt keine unwichtigen Aufgaben, sondern immer nur wichtige. Ob es sich bei der Aufgabe um einen Laufwettbewerb, ein Kundengespräch, eine Klausur, eine E-Mail oder einen Jahresabschluss handelt – diese Regel gilt immer.

Guter Lauf, schlechter Lauf – Die richtige Perspektive entscheidet
    Einen der kritischen Punkte bei meinem Lauf auf La Réunion habe ich bei Kilometer 122 am Verpflegungspunkt in Deux-Bras gehabt, als ich mir eine Stunde Schlafpause im Militärzelt genehmigte. Ich bin zu diesem Zeitpunkt bereits knapp 35 Stunden nonstop unterwegs gewesen und will jetzt nach diesem Kurzschlaf weiterlaufen. Doch es fällt mir verdammt schwer, denn es ist schweinekalt draußen, die Temperaturen bewegen sich im einstelligen Bereich, und dazu regnet es schon seit Stunden ohne Unterbrechung. Meine Oberschenkelmuskulatur ist inzwischen wieder einmal steinhart geworden und schmerzt bei jedem Schritt. Die Versuchung ist groß gewesen, einfach weiterzuschlafen oder sogar aufzugeben. Es wäre so einfach gewesen. In diesem Moment hätte ich ganz leicht denken können: Warum tue ich mir das an? Warum mache ich das bloß? Doch solche Fragen helfen einem nicht weiter.
    Was kann man in dieser konkreten Situation tun? Es gibt genau zwei Möglichkeiten. Man kann sagen: „Das Wetter spielt ja heute gar nicht mit. Der viele Regen, der starke Wind und die eisige Kälte. Es sind heute einfach keine optimalen Bedingungen. 122 Kilometer sind auch schon gut.“ Oder man sagt: „Drei Viertel des Rennens hast du schon. Du wirst bald im Ziel sein. Das Wetter wird dich auch nicht davon abhalten. Jetzt gibst du erst richtig Gas!“ Genau zwei Möglichkeiten: aufgeben oder weitermachen. Wir können nur einen Gedanken zur gleichen Zeit haben. Entweder ist dieser positiv oder negativ. Wir können ein und dieselbe Situation ganz unterschiedlich interpretieren.
    Wie habe ich die Situation auf La Réunion gelöst? Ich fing an, wieder positiv zu denken. Das habe ich geschafft, indem ich mir andere Fragen stellte. Ich veränderte durch andere Fragen einfach meinen Blickwinkel. Ich fragte mich stattdessen: Was kann ich denn tun, um aus dieser Situation wieder herauszukommen? Was ist an dieser Situation positiv? Wie wird es wohl sein, wenn ich jetzt weiterlaufe und das Ziel erreiche? Wenn es mir ganz schlecht bei einem Lauf geht, frage ich mich auch schon einmal: Wie viele Menschen wären wohl liebend gerne in deiner Situation? Wie viele Menschen würden sehr gerne mit dir tauschen? Diese zwei Fragen stelle ich mir mittlerweile auch im Alltag, wenn

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