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Extrem laut und unglaublich nah

Extrem laut und unglaublich nah

Titel: Extrem laut und unglaublich nah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Safran Foer
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eine Schale Weintrauben aus dem Kühlschrank. Außerdem tat sie Kekse auf einen Teller. »Magst du Erdbeeren?«, fragte sie. »Ja«, antwortete ich, »aber ich habe keinen Hunger.« Sie holte auch noch ein paar Erdbeeren. Ich fand es krass, dass an ihrem Kühlschrank keine Lieferservice-Speisekarten oder kleine, magnetische Kalender oder Fotos ihrer Kinder hingen. In der Küche gab es nur ein einziges Bild: das neben dem Telefon hängende Foto eines Elefanten. »Das mag ich total«, sagte ich, und ich sagte es nicht nur, damit sie mich mochte. »Was magst du total?«, fragte sie. Ich zeigte auf das Foto. »Danke«, sagte sie. »Ich mag es auch.« »Ich habe gesagt, ich mag es total .« »Ja, ich mag es auch total .«
    »Was wissen Sie über Elefanten?« »Nicht besonders viel.« »Nicht besonders viel wenig oder nicht besonders viel nichts?« »So gut wie gar nichts.« »Wussten Sie zum Beispiel, dass For scher lange geglaubt haben, Elefanten hätten eine paranor me Wahrnehmungsgabe?« »Du meinst bestimmt paranormal, oder?« »Wie auch immer – Elefanten können sich aus weiter Entfernung miteinander verabreden, und sie kennen die zu künftigen Aufenthaltsorte ihrer Feinde und Freunde, und sie können ohne jeden geologischen Hinweis Wasser finden. Kein Mensch weiß, wie sie das anstellen. Wie schaffen sie das?« »Kei ne Ahnung.« »Wie machen sie das?« »Das?« »Wie können sie sich ohne paranormale Fähigkeiten über weite Entfernungen verabreden?« »Das fragst du mich?« »Ja.« »Ich weiß es nicht.« »Möchten Sie es wissen?« »Klar.« »Wirklich?« »Klar.« »Sie sto ßen sehr, sehr, sehr, sehr tiefe Rufe aus, Rufe mit einer so tie fen Frequenz, dass Menschen sie nicht hören können. Sie re den miteinander. Ist das nicht unglaublich irre?« »Ja, ist es.« Ich aß eine Erdbeere.
    »Es gibt eine Frau, die die letzten paar Jahre im Kongo oder so verbracht hat. Sie hat die Rufe der Elefanten aufgezeichnet und eine riesige Bibliothek davon zusammengestellt. Letztes Jahr hat sie dann begonnen, sie vorzuspielen.« »Wem vorzuspielen?« »Den Elefanten.« »Warum?« Ich fand es Klasse, dass sie immer ›warum‹ fragte. »Wie Sie vielleicht wissen, haben Elefanten ein viel, viel besseres Gedächtnis als andere Säugetiere.« »Ja, ich glaube, das weiß ich.« »Und diese Frau wollte einfach testen, wie gut ihr Gedächtnis wirklich ist. Sie spielte ihnen den Ruf eines Feindes vor, den sie ein paar Jahre zuvor aufgezeichnet hatte – einen Ruf, den die Elefanten nur einmal gehört hatten –, und sie gerieten in Panik, und manchmal ergriffen sie die Flucht. Sie konnten sich an Hunderte von Ru fen erinnern. An Tausende. Vielleicht an unendlich viele. Ist das nicht faszinierend?« »Doch.« »Und absolut faszinierend ist, dass sie einer Elefantenfamilie den Ruf eines toten Angehöri gen vorgespielt hat.« »Und?« »Sie haben sich daran erinnert.« »Wie haben sie darauf reagiert?« »Sie sind auf den Lautsprecher zugegangen.«
    »Ich frage mich, was sie dabei empfunden haben.« »Wie meinen Sie das?« »Mit welchen Gefühlen sind sie auf den Lautsprecher zugegangen, als sie die Rufe ihrer Toten gehört haben? Voller Liebe? Voller Angst? Voller Wut?« »Das weiß ich nicht mehr.« »Haben sie angegriffen?« »Das weiß ich nicht mehr.« »Haben sie geweint?« »Nur Menschen können Tränen weinen. Wussten Sie das?« »Mir kommt es so vor, als würde der Elefant auf dem Foto weinen.« Ich stellte mich ganz dicht vor das Foto, und es stimmte. »Das ist bestimmt mit Photoshop bearbeitet worden«, sagte ich. »Aber darf ich für den Fall der Fälle trotzdem ein Foto von Ihrem Bild machen?« Sie nickte und fragte: »Könnte ich irgendwo gelesen haben, dass Elefan ten als einzige Tiere ihre Toten begraben?« »Nein«, sagte ich, als ich Opas Kamera scharf stellte, »können Sie nicht. Elefan ten sammeln bloß die Knochen ein. Nur Menschen begraben ihre Toten.« »Elefanten glauben doch bestimmt nicht an Geis ter.« Ich musste ein bisschen lachen. »Das würde kein ernst zu nehmender Forscher behaupten.« »Was meinst du dazu?« »Ich bin nur Amateur-Forscher.« »Und was meinst du dazu?« Ich drückte auf den Auslöser. »Meiner Meinung nach waren sie einfach verwirrt.«
    Da begann sie zu weinen.
    Ich dachte: Eigentlich müsste ich weinen.
    »Nicht weinen«, sagte ich zu ihr. »Warum nicht?«, fragte sie.

»Weil«, erwiderte ich. »Warum weil?«, fragte sie. Da ich den Anlass für ihre Tränen nicht kannte, fiel mir

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