Extrem
Sie das?“
„Man taucht, nachdem man komplett ausgeatmet hat, ein paar Mal auf ungefähr 15 Meter Tiefe, sodass das Blut in die Lungengefäße strömt. Das passiert später beim Extrem-Tauchgang auch – allerdings nicht schnell und effizient genug. Deshalb muss ich den Bloodshift vorher schon einleiten.“
Bis Mitte der 1950er Jahre waren Tauchmediziner der Meinung, dass Apnoetauchen unter 40 Metern Tiefe zu einem Lungenriss führen müsse. Der Bloodshift, eine Umverteilung des Blutes aus den Extremitäten in die Lunge, ist ein Teileffekt des sogenannten Tauchreflexes und der Hauptgrund, warum Apnoetaucher so tief tauchen können. Er ähnelt in seiner Funktion dem Atemschutzreflex der Neugeborenen: Durch das Eintauchen des Körpers ins Wasser ausgelöst, zieht sich die Ringmuskulatur in den Blutgefäßen der Arme und Beine zusammen und verringert so das Gesamtvolumen der Blutgefäße im Körper. Daher wird ein größerer Anteil des Blutvolumens in die Lunge verlagert.
Andere Extrem-Taucher berichten, dass sie vor einem Tauchgang hyperventilieren, um mehr Sauerstoff in ihre Lungen aufnehmen zu können. Der französische Tauchweltmeister in der Disziplin Constant Weight und Konkurrent von Herbert Nitsch, Guillaume Néry, berichtet, dass er erstmals nach etwa vier Minuten das Bedürfnis verspüre, zu atmen. „Aber ich habe trainiert, das Gefühl noch vier weitere Minuten zu unterdrücken und dabei ruhig zu bleiben“, erzählt er in einem Interview mit dem Spiegel . ( Constant Weight bedeutet übrigens, dass der Taucher alle Gewichte, die ihn nach unten ziehen, durch eigene Körperkraft, also ohne Schlitten, wieder an die Oberfläche bringen muss.) Nachdem ein Apnoetaucher hyperventiliert hat, dauert es also länger, bis er das Bedürfnis verspürt, wieder zu atmen. Seine Sauerstoffreserven verändert dies jedoch kaum. Beim Wiederauftauchen kann der Sauerstoff-Partialdruck auf so niedrige Werte abfallen,dass Sauerstoffmangel und die Gefahr einer Ohnmacht entstehen.
Abgesehen davon kann der Apnoetaucher den Atemreflex nicht nur durch Hyperventilieren, den Bloodshift oder ein größeres Lungenvolumen hinauszögern. Néry verrät im Interview einen weiteren Atem-Trick, mit dem er arbeitet: „Ich komprimiere die Luft in der Lunge mit einer speziellen Atemtechnik, ich mache kleine Atemzüge in kurzen Abständen. Damit mehr hineingeht.“
Mentaltauchen
Als ich Herbert Nitsch frage, wie lange er für einen Wettkampf oder Rekordversuch trainiert, klingt seine Antwort erstaunlich entspannt: Er versuche, sich generell fit zu halten mit Fahrradfahren und Krafttraining. Erst kurzfristig, etwa eine Woche vor einem Wettkampf, beginne er mit intensiveren Vorbereitungen. „Jeden Tag zwei Trainingseinheiten. Natürlich im Wasser – aber zusätzlich trainiere ich auch zu Hause auf der Couch: Luftanhalten. Mindestens eine Stunde pro Tag, mit Intervallen natürlich.“ Sein persönlicher Rekord im Ruhezustand: neun Minuten und vier Sekunden!
Wohl jeder hat schon einmal mit dem Blick auf die Uhr versucht herauszufinden, wie lange er die Luft anhalten kann – ob auf dem heimischen Sofa oder, weil es authentischer wirkt, in der Badewanne. Aber so etwas Elementares wie den Atemreflex beeinflussen zu wollen stelle ich mir extrem schwierig vor. Nitsch muss meiner Auffassung nach über eine unglaubliche mentale Stärke verfügen. Ich frage ihn, welche Rolle die Psyche beim Apnoetauchen spielt und ob er meditiere.
„Ich habe nie gelernt zu meditieren. Aber ich habe mir sagen lassen, dass ich es trotzdem tue. Der mentale Faktor ist entscheidend bei einem Wettkampf. Man muss sich die Situation vorstellen: Es gibt lediglich ein Zeitfenster von 30 Sekunden, in dem man abtauchen muss. Alle Augen sind auf einen gerichtet: Schiedsrichter, Sicherungstaucher, Zuschauer. Und man hat nur einen einzigen Versuch! Das ist eine Situation, in der das Adrenalin normalerweise nur so durch den Körper schießen würde. Aber man muss das komplett beiseiteschieben und den Tauchgang beginnen, als würde man sich im Bett noch einmal umdrehen und weiterschlafen.“
„Sie machen Ihren Kopf also vollkommen frei?“
„Ja, der Kopf muss komplett leer sein und sich gleichzeitig nur auf das Wesentliche konzentrieren. Das ist ein Mittelding zwischen Schlaf und extremster Konzentration. Ich bin so konzentriert, dass mein Blick beim Tauchen wie nach innen gerichtet ist. Ich schaue auf die Empfindungen in und an meinem Körper. Es ist ein
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