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Extrem

Extrem

Titel: Extrem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Goedde
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Extrem sind viele Erfahrungen – Krankheit oder der Tod zum Beispiel. Doch nur wenn jemand zum ersten Mal eine Grenze überschreitet, die bislang noch für uns alle galt, ist uns dies eine Nachricht wert. Die von mir befragten Extremisten , Kaltenbrunner eingeschlossen, betonen, dass sie sich selbst gar nicht darum scheren, ob sie eine besondere Leistung zum ersten Mal erbracht haben. Ihnen geht es allein um die Erfahrung, um die ganz persönliche Herausforderung. Auf meine Frage, was ihr wichtiger sei, die Rekorde oder die gesammelten Eindrücke, antwortet die Bergsteigerin:
    „Aus Titeln mache ich mir überhaupt nichts. Für mich sind es wirklich nur die Bilder, die Erinnerungen, die ich in mir trage. Und die werden mich wahrscheinlich ein Leben lang nicht mehr loslassen.“
    Tatsächlich, denkt man, sollte es eigentlich egal sein, ob man bei einer so außergewöhnlichen Aktion die Erste oder der Zweite ist. Doch selbst bei dem spektakulären Wettrennen von Roald Amundsen und Robert Scott zum Südpol wird das Drama für Scott immer nur in seinem zweiten Platz gesehen – fast schon, als hätte sein Tod etwas weniger Tragisches an sich gehabt, wenn er als Erster ans Ziel gelangt wäre.
    Auch wenn, wie am 22. Januar 2012 geschehen, die jüngste Weltumseglerin wieder das sichere Ufer erreicht, horchen wir nur auf, weil sie eben die jüngste ist. Ansonsten hat sie nichts anderes vollbracht als andere Weltumsegler auch. (Am 20. Januar 2011 hatte die 16-jährige Laura Dekker den Hafen Philipsburg auf der Karibikinsel St. Maarten verlassen. Begonnen hatte ihre 27 000 Seemeilen lange Reise aber schon am 4. August 2010 in ihrer Heimat, den Niederlanden.) Unsere Nachrichtenwelt, daswissen wir TV-Journalisten sehr gut, ist darauf ausgerichtet, derlei Meldungen zu Topnews zu machen – immerhin wurde der Bericht über die Jung-Seglerin in nahezu allen Nachrichtensendungen gebracht.
    Diese Sucht nach Rekorden, gerade auch im Bergsport, treibt zuweilen skurrile Blüten: Franz Berghold und Wolfgang Schaffert schreiben in ihrem Buch Physiologie und Medizin der großen und extremen Höhen : „Fassungslos nimmt man zur Kenntnis: 1998 stand erstmals auch ein Beinamputierter am Gipfel [des Mount Everest] … Im Mai 2001 bestieg der erste Blinde, der Amerikaner Erik Weihenmayer, den Everest. Ein Franzose flog 1988 mit dem Gleitschirm herunter. […] Da hat es oft den Anschein, dass hemmungslose Gier nach Publicity, käuflichem Thrill und Abenteuer aus zweiter Hand die Szene dominieren. Und dass die höchsten Berge, jahrtausendelang als Sitz der Götter respektiert, rücksichtslos zu Turngeräten der Eitelkeiten und des Kommerz degradiert werden. Mittlerweile werden alle Achttausender im Katalog angeboten.“
    Superlative faszinieren eben. Und für Bergsteiger ist die 8000 eine magische Zahl. Wohl, weil es nur 14 Achttausender-Gipfel gibt – Gerlinde Kaltenbrunner hat sie alle bestiegen.
Die Schönheit der Todeszone
    Aber was heißt das genau, einen Achttausender zu besteigen? Es bedeutet vor allem, sich in die sogenannte Todeszone zu begeben – wie die Höhe ab 7500 Metern genannt wird. Selbst die erfahrensten und trainiertesten Bergsteiger sind dort oben in ständiger Lebensgefahr. Wirklich lange kann hier oben kein Organismus überleben. Der geringe Sauerstoffgehalt in der Luft ist nur ein Risikofaktor. In dieser Höhe entspricht er nur noch einem Drittel der normalen Atemluft. Unter solchen Extrembedingungen bauen sich selbst in Ruhephasen ständig Muskelmasse und Gehirnzellen ab. Ansonsten setzen dem Körper extreme Kälte, hohe Windgeschwindigkeiten und eine erhöhte UV-Strahlung zu. Darüber hinaus müssen die Bergsteiger fortwährend mit Unfällen und Lawinenabgängen rechnen.
    Hält man sich all dies vor Augen, stellt sich zwangsläufig die Frage: Warum unterziehen sich Menschen wie Gerlinde Kaltenbrunner freiwillig solchen Strapazen, setzen sich dieser Gefahr aus? Ich habe versucht, zu verstehen, was für meine Interviewpartnerin den Reiz an der extremen Höhe ausmacht.
    „Die Faszination setzt sich aus vielen Eindrücken zusammen: Das beginnt schon beim Anmarsch zu einem Basislager, bei der Begegnung mit den Menschen vor Ort – zum Beispiel in Pakistan oder im Himalaya. Und mich dann langsam dem Berg anzunähern, einzutauchen in eine wilde Natur … – wie kürzlich erst an der Nordseite des K2, da waren wir in einem Sieben-Mann-Team ganze drei Monate lang vollkommen alleine unterwegs. Und diese große

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