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Extrem

Extrem

Titel: Extrem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Goedde
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Zunächst einmal galt es, die Wirkung von an sich wirkungslosen Mitteln auf einer breiteren Datenbasis zu belegen.
    Am Institut für medizinische Psychologie der Ludwig-Maximilians-Universität München führte Dr. Karin Meissner eine Reihe von Versuchen durch, bei denen sie Testpersonen wirkungslose Medikamente verabreichte. Ein Teil von ihnen erhielt die Information, das Medikament steigere die Aktivität des Magens – und genau bei diesen Probanden wurde anschließend auch eine erhöhte Aktivität desMagens beobachtet, im Gegensatz zu denen, die diese Information nicht erhalten hatten.
    Noch spektakulärer war ein Experiment, das der Orthopäde Dr. James Bruce Moseley in Houston, Texas durchführte. Ihm standen 180 Patienten mit leichter Knie-Arthrose zur Verfügung, von denen er zwei Drittel auf die übliche Weise operierte. Beim letzten Drittel der Patienten nahm Moseley nur zum Schein einige oberflächliche Schnitte vor. Natürlich wussten die Patienten nicht, welcher (Nicht-)Behandlung sie unterzogen worden waren. Nach zwei Jahren zeigten sich 90 Prozent der Patienten beider Gruppen mit dem Eingriff zufrieden. Dabei war die Zahl der schmerzfreien Patienten unter den Scheinoperierten sogar größer als unter denen, die operiert worden waren.
    Auch im Bereich alternativer Heilmethoden konnte der Placebo-Effekt nachgewiesen werden. An der Universität Heidelberg behandelte der Schmerzforscher Konrad Streitberger Patienten, die an einer Schulterverletzung litten, mit Akupunkturnadeln. Bei einem Teil der Verletzten kamen jedoch Nadeln zum Einsatz, die so konstruiert waren, dass sie sich, anstatt in die Haut einzudringen, wie Teleskopstangen ineinander schoben. So wurde die Therapie bei der Hälfte der Versuchspersonen nur vorgetäuscht. Hier zeigten sich unter den mit echten Nadeln Behandelten 74,2 Prozent der Personen mit dem Ergebnis zufrieden, von den Scheinbehandelten waren es 64,7 Prozent.
    Am gründlichsten wurde der Placebo-Effekt in seinen verschiedenen Facetten von dem Turiner Mediziner Fabrizio Benedetti erforscht. In zahlreichen Versuchen stellte er fest, dass die Information, die wir zusammen mit den Schmerzmitteln erhalten,einen Anteil von ungefähr 30 Prozent an der Wirkung hat. Ohne die Ansage „Du bekommst jetzt ein Mittel, das deine Schmerzen lindern wird“ schlagen Medikamente also um 30 Prozent weniger gut an. Umgekehrt fand Benedetti heraus, dass auch ein sogenannter Nocebo-Effekt erzielt werden kann. Erzählte man einer Versuchsperson, die Behandlung würde Schmerzen verursachen oder diese verschlimmern, so stiegen die Schmerzen tatsächlich an. Benedettis Studien belegen: Subjektive Erwartungen, Einschätzungen und Bewertungen dessen, was während einer Behandlung vor sich geht, tragen erheblich zum Ergebnis einer Therapie bei. Benedetti konnte – fast ein Jahrhundert später – belegen, dass sich die Anekdote über Professor Sauerbruch tatsächlich so zugetragen haben könnte. Denn die Worte eines Arztes sind aufgrund seiner Autorität als Mediziner ähnlich wirksam wie die Medikamente selbst: Der Patient glaubt und ist seiner Heilung damit schon einen wesentlichen Schritt näher.
Schmerz passiert im Kopf
    Der Nachweis des Placebo-Effektes stellte die medizinische Forschung vor völlig neue Probleme. Nun war klar, dass Schmerzen, ausgelöst durch Reize, die über das Rückenmark an das Gehirn weitergeleitet werden, in ihrem Ergebnis offenbar weit mehr sind als nur Signale. Sie werden im Gehirn verarbeitet und moduliert. Deshalb konzentrieren sich neuere Schmerzforschungen nicht mehr so sehr auf die Leitungsbahnen der Nerven, sondern auf die psychologischen Vorgänge, die zu unserer komplexen Schmerzwahrnehmung beitragen.
    Um diese besser zu verstehen, unternahm Benedetti einen Versuch mit Alzheimer-Patienten – und fand heraus, dass bei ihnen keinerlei Placebo-Effekt auftritt. Aufgrund ihrer geistigen Verfassung wirken Schmerzmittel bei Alzheimer-Erkrankten um bis zu 50 Prozent schlechter als bei anderen Patienten. Der Grund hierfür liegt in dem Umstand, dass bei dieser Krankheit eine wichtige Region des Gehirns, der präfrontale Kortex, nicht mehr mit den anderen Hirnregionen zusammenarbeitet. Im präfrontalen Kortex werden Situationen und auch Schmerzsignale bewertet. Das geschieht in enger Verbindung mit anderen Bereichen des Gehirns, in denen Schmerzen zum Beispiel in Bezug auf Langzeiterinnerungen oder Ängste eingeschätzt werden. So nimmt das Gehirn ein Schmerzsignal nicht

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