Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Extrem

Extrem

Titel: Extrem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Goedde
Vom Netzwerk:
Höhenbergsteigen nicht selten sind.“ Tatsächlich kann Sauerstoffmangel (durch die eingeschränkte Durchblutung) die Wahrnehmung derart verändern, dass die Sicherheit der Bergsteiger gefährdet ist, weil sie plötzlich Dinge wahrnehmen und für real halten, die gar nicht vorhanden sind:
    „Das kann wirklich gefährlich werden“, sagt Gerlinde Kaltenbrunner: „Wenn man übersieht, dass es einem nicht mehr gut geht. Es tritt ein Gefühl ein, das einem Wohlbefinden vorgaukelt. Die Leute setzen sich irgendwo hin, wollen im Schnee nur ein kurzes Nickerchen machen, schlafen ein und werden nie mehr munter. Das passiert immer wieder. Durch Flüssigkeitsmangel kann es auch zu Halluzinationen kommen, das habe ich schon oft beobachtet bei anderen Bergsteigern …“
    … die dann Dinge sehen, die gar nicht da sind?
    „Genau! Ein Freund, der leider bei einem Bergunglück ums Leben kam, hat mir das einmal genau geschildert: Er hat auf 7500 Metern einen Zwerg gesehen, der um ein Lagerfeuer herumtanzte und ihm eine Tasse heißen Tee gereicht hat. Mein Freund griff immer wieder hin, er hat den Zwerg ganz deutlich vor sich gesehen, aber es war natürlich niemand da.“
Tod am Berg
    Beim Höhenbergsteigen sind immer wieder Tote zu beklagen. Ich frage Gerlinde Kaltenbrunner, wie sie persönlich mit dem Thema Tod umgeht.
    „Ich war früher Krankenschwester und habe auf einer Krebsstation gearbeitet. Mit den Themen Tod und Sterben habe ich mich damals sehr intensiv auseinandergesetzt. Auch in der Familie haben wir das Thema nie ausgeblendet. Für mich gehört der Tod einfach zum Leben dazu, die meisten Menschen reden nur nicht darüber. Egal ob beim Höhenbergsteigen oder auf der Straße – es bleibt immer ein Restrisiko, egal was man macht. Und so traurig es in dem Moment ist, wenn etwas passiert, bekomme ich einen Abstand dazu und kann damit umgehen.“
    Zu dem Umstand, dass Extrembergsteiger das Risiko in den Bergen gerne mit Alltagsrisiken wie denen im Straßenverkehr vergleichen und damit relativieren, hat sich schon der Psychologe und Bergsteiger Ulrich Aufmuth geäußert: „[Bergsteiger] versuchen mit den verschiedensten Argumenten, glaubhaft zu machen, daß ihr Tun keinerlei besonderes Risiko beinhalte. Oft zu hören bekommt manin diesem Zusammenhang den Hinweis auf das Autofahren. Das extreme Bergsteigen, so heißt es, sei nicht gefährlicher als eine Überlandfahrt mit dem Auto.“
    Dass dem nicht so ist, weiß Kaltenbrunner. Bei ihrer dritten K2-Expedition im August 2010 hat sie einen guten Freund, den Bergsteiger Fredrik Ericsson, verloren. Einen Bericht darüber schrieb ihr damals im Basislager verbliebener Lebensgefährte Ralf Dujmovits. Man kann ihn ebenfalls auf Kaltenbrunners Homepage nachlesen:
    „Heute Nacht um 01:30 Uhr waren Fredrik, sein Freund Trey und Gerlinde gemeinsam von Lager IV auf der Schulter des K2 losgestiegen. Da das Wetter seit ca. 23:00 Uhr schlecht war, blieben die anderen 6 Bergsteiger in ihren Zelten zurück. Starker Wind und schlechte Sicht waren die Gründe für die Entscheidung. […]
    Um ca. 08:10 Uhr meldet sich Gerlinde mit Entsetzen: Fredrik sei an ihr vorbei gestürzt und sie steige sofort ab um nach ihm zu schauen. Kurze Zeit später meldet sie sich wieder, dass sie nur einen der beiden Ski, die Fredrik mit sich trug, gefunden hätte.“
    Das Bergsteigteam konnte seinen leblosen Körper nur noch auf Distanz ausmachen, eine Bergung war unmöglich. Muss man den Tod als mögliches Szenario beim Bergsteigen akzeptieren, frage ich Gerlinde Kaltenbrunner.
    „Das hört sich so an, als gingen wir volles Risiko ein, ganz im Gegenteil: Oberste Priorität ist einfach, dass man wirklich vorsichtig ist und Risiken so gut wie möglich aus dem Weg geht. Und wenn ich irgendwo klettere, dann habe ich die Angst vor dem Absturz nicht ständig bei mir, ich konzentriere mich einfach nur auf den Moment, den ich gerade vor mir habe.“
    Und solche Momente gibt es scheinbar noch genug für Kaltenbrunner. Auf meine Frage, ob sie beim Höhenbergsteigen alles erreicht habe, was es zu erreichen gibt, antwortet sie:
    „Ach, es gibt noch so viele Träume. Gerade jetzt am K2 habe ich jede Menge namenlose, unbestiegene Siebentausender gesehen … Da gibt’s noch sehr viel zu tun! Und ich glaube, wenn man die Leidenschaft des Bergsteigens in sich trägt, dann lässt sie einen ein Leben lang sowieso nicht mehr los.“

Der eingebildete Gesunde oder Die Kraft der Suggestion
    Ist Schmerz eine körperliche

Weitere Kostenlose Bücher