Extrem
schneller verarbeiten als visuelle. Damit wird die niedrigere Geschwindigkeit des Schalls gegenüber dem Licht teilweise ausgeglichen. Wichtiger aber ist, dass das Gehirn in einem bestimmten, kurzen Zeitfenster alle ungleichzeitig eintreffenden Daten zu einheitlichen Eindrücken verbindet. In diesen Momenten, die das Gehirn zur Synthese der Daten braucht, wird die Zeit gewissermaßen angehalten: Sind die unterschiedlich schnell ankommenden Daten verbunden, treten wir in das nächste Zeitfenster ein, und so entsteht unser kontinuierliches Zeitempfinden aus der Aneinanderreihung solcher Zeitfenster.
In zahlreichen Experimenten über die Wahrnehmung haben Physiologen herausgefunden, dass die Sinnesschwelle für diese Fenster bei 30 Millisekunden liegt: „Alle Ereignisse in diesem Intervall erscheinen dem bewusst Wahrnehmenden als gleichzeitig; er kann kein Vorher und Nachher darin ausmachen“, berichtet der Hirnforscher Ernst Pöppel in einem Gespräch, das 2007 in der Zeitschrift Gehirn & Geist erschien. Auf der nächsten Ebene unseres Bewusstseins werden die 30-Millisekunden-Fenster zu einer drei Sekunden dauernden Gegenwart verbunden: Nach etwa drei Sekunden ändern sich die Eindrücke,die jeweils in unserem Bewusstsein unmittelbar präsent sind. Die Grundlage unseres Zeitempfindens ist also biologisch bedingt: Es sind neuronale und biochemische Vorgänge im Gehirn, die innerhalb von 30 Millisekunden Sinnesdaten miteinander verbinden. Diese Fenster werden dann zu Aufmerksamkeitsspannen von drei Sekunden aneinandergereiht.
Die Aufmerksamkeit mit ihrer Drei-Sekunden-Struktur bildet die Basis unseres Zeitempfindens. Unser Erleben, unser Erinnern und unsere Vorstellungen über größere Zeiträume hinweg entstehen jedoch erst, indem wir die wahrgenommenen Eindrücke und Ereignisse sortieren, ordnen und bewerten und indem wir den zeitlichen Rahmen auf diese Weise mit Bedeutung füllen. Diese Vorgänge können von der Philosophie, der Literatur, den Künsten und den Wissenschaften in vielfältiger Weise beschrieben werden. Sie sind jedoch – bisher jedenfalls – nicht biologisch erklärbar.
Amors Götterbotenstoff oder Warum Männer wie Präriewühlmäuse ticken
Er liebt seinen Alltag. Hat ihn immer geliebt. Den Moment, wenn er morgens der Frau und den Kindern einen Kuss auf die Wange drückt und aus dem Haus geht, die frische Luft vor der Tür des behaglichen Familienheims einatmet und seine Gedanken langsam auf den vor ihm liegenden Arbeitstag richtet. Die Arbeit tut ihm gut, die doppelte Verantwortung im Job und gegenüber der Familie erfüllt ihn mit Stolz und Selbstbewusstsein. Der Leistungsdruck ist hoch, die Konkurrenz schläft nicht. Ab und zu entspannt er sich in der Mittagspause durch den einen oder anderen Seitensprung mit einer der Kolleginnen – sein Leben ist erfüllt und abwechslungsreich, auch in sexueller Hinsicht.
Eines Abends findet er bei seiner Rückkehr nach Hause einen Zettel vor: „Schatz, ich reiche die Scheidung ein. Du warst nicht treu, ich habe einen gefunden, der verspricht, es zu sein, und bin heute mit den Kindern zu ihm gezogen.“ Der Schock trifft ihn völlig unerwartet. In den folgenden Wochen ist er nicht mehr derselbe; sein Leben ist aus den Fugen geraten. Sein Schwung, sein Elan, seine Motivation sind einer Depression gewichen. Er lässt sich hängen.
Dies ist, sehr verkürzt, die Geschichte von Donald Draper, der Hauptperson in der amerikanischen Fernsehserie Mad Men : Draper ist ein erfolgreicher Werbetexter, der viel verdient; im Einfamilienhaus eines idyllischen New Yorker Vororts warten jeden Abend eine bildhübsche Frau und zwei Kinder auf ihn, und dank seines guten Aussehens und seines Gehalts kann er sich neben Job und Familie zahlreiche Affären leisten. Als seine Frau dahinterkommt und ihn am Ende der dritten Staffel verlässt, geht es mit ihm bergab. Er bezieht eine Single-Wohnung in der Stadt, doch seine kurzen Affären können die Tristesse nach seiner gescheiterten Ehe kaum verdrängen, und er ertränkt seine Einsamkeit im Alkohol.
Ebenfalls verkürzt und im übertragenen Sinne, ist dies außerdem die Geschichte einer männlichen Präriewühlmaus. Es handelt sich hierbei um ein Nagetier, das in jüngster Zeit unter der verstärkten Beobachtung von Wissenschaftlern steht. Neurobiologen nehmen das Verhalten des Nagers in einer Vielzahl von Studien unter die Lupe. Die Präriewühlmaus gehört zu den wenigen Arten, die wie wir Menschen lebenslange
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