Extrem
wird schon bei einfachen Berührungen, liebevollen Gesten und Worten ausgeschüttet, beim Sex sogar in großen Mengen, ebenso wie beim Gebären und beim Stillen. Auf diese Weise sorgt es dafür, dass wir uns treu gegenüber dem Partner und fürsorglich gegenüber dem Nachwuchs verhalten. Auch hier waren es zunächst spektakuläre Versuche mit Prärie- und Wiesenwühlmäusen, die gezeigt haben, dass geringe Injektionen dieses Hormons ausreichen, damit Tiere, die normalerweise keine Paarbindungen eingehen, sich plötzlich lebenslang aneinander binden. Auf diese Weise und in vielen folgenden Untersuchungen ist das Oxytocin als einer der wichtigsten Faktoren ermittelt worden, der nicht nur die Beziehung von Paaren, sondern auch die Mutterliebe bedingt.
Es scheint verlockend, angesichts dieser Erkenntnisse zu vermuten, Donald Draper habe in Wahrheit nur ein kleines hormonelles Problem mit einem Botenstoff, das sich dank der Fortschritte der Medizin leicht beheben ließe. Man könnte dem Glauben verfallen, das Fehlverhalten von Personen, Untreue, mangelnde Fürsorge, vielleicht auch Depressionen infolge von Liebeskummer, könnten durch die Einnahme von Medikamenten kuriert werden. Doch unser Hormonhaushalt funktioniert nicht wie ein Kaffeeautomat, in den man oben ein Pulver einfüllt, damit unten das erwünschte Getränk herauskommt. Das wird schon daran ersichtlich, dass allein ein einziges Hormon wie das Oxytocin für die verschiedensten Aufgaben zuständig ist. Und so ist auch seine Wirkung sehr vielschichtig: Bei Männern zum Beispiel wird es beim Sex ausgeschüttet und bewirkt so nicht nur eine engere Bindung an die Bettgenossin, sondern auch die nachfolgende, so entspannende Müdigkeit und Mattheit. Eine Nebenwirkung, die in anderen Lebenslagen mehr als unangenehm sein kann.
Heute kursieren auf dem Markt Antidepressiva, die auf die eine oder andere Weise in den Hormonhaushalt eingreifen und dann genau diese manchmal schwerwiegenden Folgen haben, bei denen Patienten unter ständiger Müdigkeit, Gewichtszunahme oder Ähnlichem leiden. Es ist ein bisschen wie bei Schönheitsoperationen: Wir können die sichtbaren Zeichen des Alterungsprozesses unserer Haut mit Botox und Silikon gut retuschieren – nur die Nebenwirkung, die zunehmende Unbeweglichkeit der Operierten, haben wir leider überhaupt nicht im Griff. Die Vorstellung, „charakterliche“ Defizite wie Untreue in einer Partnerschaft könnten biochemisch korrigiert werden, ist deshalb wenig realistisch. Und, seien wir ehrlich: Sie ist auch ein wenig unheimlich. Denn das würde bedeuten, dass wir wie Automaten funktionierten, mit einer biochemischen „Mechanik“, die jede unserer Handlungen determiniert.
Die Liebe im Gehirn
Die Liebe spielt sich nicht im Herzen, sondern im Kopf ab. Das zumindest würden Hirnforscher sagen, denn alles, was wir überhaupt in irgendeiner Weise empfinden, wirdvom Gehirn aus gesteuert. Das heißt, jede Empfindung, aber auch jede Handlung, die wir ausführen, ist an Aktivitäten in einer oder mehreren Regionen im Gehirn gekoppelt. Manche dieser Regionen werden als Belohnungszentren bezeichnet. Sie enthalten besonders viele Rezeptoren für den Glücksbotenstoff Dopamin und sind deshalb für alle Arten von Glücksempfinden wichtig. In allen an „Liebesgefühlen“ beteiligten Hirnregionen finden sich außerdem besonders viele Rezeptoren für die Neurohormone Oxytocin und Vasopressin, die wir aus dem Chemiebaukasten der Liebe bereits kennen. Die vielleicht bahnbrechendste Entdeckung der Neurobiologen besteht nun darin, dass die molekulare (das heißt chemische) und in sehr geringem Maße sogar die anatomische Struktur des Gehirns veränderbar sind. Man spricht hier von der Plastizität des Gehirns: Jede Handlung, jedes Wort, alles, was im Laufe unseres Lebens an äußeren Einflüssen auf uns einströmt, formt und verändert diese Strukturen – wie ein Bildhauer, der eine Plastik modelliert. Werden im Gehirn Oxytocin und Vasopressin ausgeschüttet, zum Beispiel durch eine liebevolle Berührung, den Anblick eines geliebten Menschen, so bilden sich neue Rezeptoren. Damit wird die Bindungsfähigkeit einer Person verstärkt. Zugleich lernen wir, uns konkret an diese eine Person zu binden, durch deren Anblick und deren Handlungen die Liebesbotenstoffe in unserem Gehirn ausgeschüttet werden.
Die Liebe ist also, wie vieles andere, ein Lernprozess, der wesentlich auf Wiederholung basiert, da die wiederholte Ausschüttung der entsprechenden
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