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Extrem

Extrem

Titel: Extrem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Goedde
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Botenstoffe zu einem allmählichen Umbau bestimmter Hirnregionen führt. Und auch der umgekehrte Vorgang ist möglich: Durch negative Erlebnisse kann das Bindungsverhalten eines Menschen empfindlich gestört werden, und dieses wiederum können Wissenschaftler heute beobachten, indem sie bei „bindungsschwachen“ Menschen eine geringere Zahl besagter Rezeptoren im Gehirn feststellen.
    Natürlich sind diese Vorgänge noch weit komplizierter, als das hier in verkürzter Form darstellbar ist. Denn andere Hormone spielen, wie bereits erwähnt, ebenfalls eine wichtige Rolle, und neben den Belohnungszentren sind weitere Regionen des Gehirns maßgeblich an unseren Empfindungen beteiligt. Zum Beispiel die sogenannte Insula (ein Teil der Großhirnrinde), die die mit den Emotionen verbundenen biochemischen Substanzen direkt an andere Stellen unseres Körpers weiterleitet und so dafür sorgt, dass wir das Gefühl des Verliebtseins auch in Form der berühmten Schmetterlinge im Bauch fühlen.
    Doch die Entdeckung der Plastizität des Gehirns hat zwei überraschende Entdeckungen zur Folge: Zum einen werden psychische Defizite, wie ein vermindertes Vermögen, stabile Beziehungen einzugehen, von einer Generation an die nächste weitergereicht. Wissenschaftler wie der Hirnforscher Gerhard Roth glauben inzwischen belegen zu können, dass Kinder im Mutterleib und in den ersten Monaten nach der Geburt eine bestimmte Grundstruktur erhalten, bei der sich auch die Oxytocinrezeptoren herausbilden. So geben Eltern ihre eigene Disposition weiter, genetisch und indem sie die Beziehung zum Kind gestalten, Liebe, Sicherheit und Geborgenheit mehr oder weniger stark vermitteln und sich so beim Kind ein mehr oder weniger starkes Bindungsverhalten ausprägt. Wichtiger jedoch ist die Beobachtung, dass diese anfängliche Struktur des Gehirns veränderbar ist, und zwar nicht durch medikamentöse oder gar operative Eingriffe, sondern durch das Verhalten: Wer von einer oder mehreren Bezugspersonen viel Liebe erfährt, dessen Gehirn bildet neue Oxytocinrezeptoren aus, und so kann sich ein anfänglich vielleicht schwaches Bindungsverhalten im Verlaufe des Lebens stabilisieren.
Liebe geht durch die Nase
    Nicht nur die Neurobiologen, auch die Genforscher sind der Liebe auf der Spur. Und auch sie haben anfangs eine Fährte aus der Tierwelt aufgenommen: Zunächst entdeckte der Zoologe Claus Wedekind, dass Mäuse ihre Partner nach einem bestimmten Muster auswählen. Dabei finden immer solche Paare zusammen, deren sogenannte MHC-II-Gene (major histo-compatibility complex II) möglichst unterschiedlich ausfallen. Es handelt sich um Gene, die für das Immunsystem zuständig sind. Je verschiedener die Gene, die ein Kind hier von seinen Eltern mitbekommt, desto besser ist seine Immunabwehr. Deshalb hat jede Maus, so Wedekinds Beobachtung, ihren Idealpartner, dessen MHC-Gene sich von den eigenen stark unterscheiden.
    Doch wie findet die Maus und – wir ahnen schon, dass hier auch von uns selbst die Rede ist – wie finden wir heraus, ob unser Partner Gene hat, die zu uns passen? Die Antwort lautet: Wir riechen es. Und zwar sind es offenbar die Frauen, die die passenden Gene erriechen. Das ist das Ergebnis von Untersuchungen aus dem Jahr 1995, bei denen man Frauen an T-Shirts schnuppern ließ, in denen Männer zuvor zwei Nächte lang geschlafen hatten. Das Experiment konzentrierte sich auf eine bestimmte Untergruppe der Immunabwehrgene, die sogenannten humanen Leukozytenantigene, auch HLA-Gene genannt. Sie codieren ein Protein bei weißen Blutkörperchen, das wichtig für die Immunreaktion bei Infektionen ist. Tatsächlichbevorzugten die Frauen den Geruch der Männer, deren HLA-Gene mit den eigenen die geringsten Übereinstimmungen hatten.
    Eine andere Entdeckung machten schwedische Genforscher, die bei Männern ein „Gen für Untreue“ ermittelten. Sie fanden eine Korrelation zwischen der Version eines Gens und dem Verhalten seiner Träger, die überdurchschnittlich oft nicht in der Lage waren, eine feste Beziehung einzugehen. Taten sie es dennoch, scheiterten die Ehen dieser Männer besonders häufig.
    Als das menschliche Genom Anfang des Jahres 2001 erstmals vollständig entschlüsselt wurde, herrschte zunächst große Euphorie. Wenn wir den genetischen Bauplan eines Menschen kennen, so hieß es, können wir sein Leben genau vorhersagen. „XY wird eine hohe Ausbildung abschließen, viel verdienen, und ungefähr im Alter von Mitte fünfzig an Krebs

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