Extrem
Paarbeziehungen eingehen. Doch auch hier neigt das Männchen auf seinen täglichen Streifzügen zu Seitensprüngen, es ist also nicht immer treu, trotz der lebenslangen „Ehe“ mit der Mutter seiner Nachkommen. Als die Forscher das Weibchen verschwinden ließen und das Männchen abends in ein leeres Nest zurückkehrte, versank es zu ihrer Überraschung in einer „Depression“ – ganz wie der Protagonist von Mad Men . Es wurde antriebslos und zeigte in keinster Weise mehr die zuvor beobachtete Aktivität. Dieses Verhalten änderte sich erst wieder, als man dem Tier Antidepressiva verabreichte.
Mit ihrer Studie über die Präriewühlmaus suchten die Neurobiologen nach den Ursachen für den extremen körperlichen Zustand des Liebeskummers. Und sie fanden sie: Verantwortlich für den traurigen Zustand des verlassenen Mäuserichs ist der Botenstoff CRH (Corticotropin-Releasing-Hormon). Wenn das Männchen eine Beziehung eingeht, erhöht sich die Produktion dieses Botenstoffes zunächst. Doch erst im Falle einer Trennung entfaltet er seine Wirkung auf das Verhalten des Tiers. Wenn das Männchen seiner Familie fernbleibt, wird der Botenstoff vermehrt ausgeschüttet und verursacht dann die als „Depression“ interpretierbaren Leiden. Daraus folgern die Forscher, dass dieser Mechanismus die Treue des Männchens garantiert. Um den Schmerz des „Liebeskummers“ zu vermeiden, kehrt es jeden Abend brav in sein Nest zurück, unterstützt somit das Weibchen bei der Aufzucht der Jungen und schützt seine Familie vor Feinden.
Dasselbe Hormon CRH findet sich in Verbindung mit Depressionen auch beim Menschen. Ebenso zeigen die Ergebnisse weiterer Untersuchungen – wenn es um das Bindungsverhalten geht – eine hohe Übereinstimmung zwischen Tier- und Menschenwelt. Es sind, so eine Erkenntnis der aktuellen Forschung, immer dieselben biochemischen Vorgänge, die unsere Gefühlsreaktionen in den Beziehungen zu anderen Menschen steuern.
Doch was bedeutet das in Bezug auf die Liebe? Jenes Phänomen, das vor unserem inneren Auge als Wort in schnörkeligen Buchstaben erscheint, romantisch verziert mit roten Herzen und flackernden Kerzen? Nun, zunächst einmal ist sie ein körperlicher Zustand – und, in Phasen des Frischverliebtseins oder der Trennung, sogar einextremer körperlicher Ausnahmezustand. Irgendwie war uns das immer schon bewusst, insbesondere dann, wenn die Liebe gerade einmal durch den Magen ging, sie in unserem Bauch Schmetterlingstänze aufführte, der Anblick einer Person uns der Ohnmacht nahebrachte oder uns das Herz gebrochen wurde. Körperliche Zustände kann man wissenschaftlich erforschen, und so ist die Biologie in den letzten Jahrzehnten zunehmend auf die Liebe gekommen. Sie hat wissenschaftliche Erklärungen dafür gefunden, wie diese geheimnisvolle Macht selbst die Vernünftigsten unter uns ganz plötzlich in ihren Bann ziehen und – ihrem Verhalten nach zu urteilen – aus der Bahn werfen kann.
Der Chemiebaukasten der Liebe
Die wichtigsten Bestandteile im Chemiebaukasten der Liebe sind die Hormone Dopamin, Noradrenalin, Cortisol, außerdem Oxytocin und Vasopressin, und natürlich fehlen auch das als Männlichkeitshormon bekannte Testosteron und die weiblichen Östrogene nicht. Man hat beispielsweise herausgefunden, dass der Körper im Zustand des Verliebtseins vermehrt Dopamin, Noradrenalin und das Stresshormon Cortisol ausschüttet. Bei Verliebten kommt es so zu einem Gefühlsrausch, dessen Intensität manche Wissenschaftler mit der Wirkung von Kokain vergleichen. Während das Dopamin auf das Belohnungszentrum im Gehirn wirkt und hier Euphorie und Glücksgefühle auslöst, sorgen Noradrenalin und Cortisol für eine Steigerung der Leistungsfähigkeit. Auf Wolke Sieben bewegen sich Verliebte oft wochenlang mit erstaunlich wenig Schlaf durch ihren Alltag, und sie sind dabei noch leistungsbereiter und weniger anfällig für Krankheiten alsihre auf dem Erdboden der „Normalität“ verbliebenen Kollegen. Bei Frauen steigt in dieser Phase außerdem der Testosteronspiegel, sie verhalten sich – es ist kein schönes Wort – paarungswilliger, und sie sind viel eher bereit, Ungewöhnliches zu tun und Risiken einzugehen.
Andere Botenstoffe, in erster Linie das Oxytocin und das Vasopressin, funktionieren als Bindemittel, als Klebstoff, dessen erhöhte Produktion bewirkt, dass wir uns nach den ersten Begegnungen längerfristig an eine Person gebunden fühlen. Ihre Funktionen sind vielfältig – Oxytocin
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