Extrem
erkranken.“ Inzwischen sind zahlreiche genetische Kombinationen entdeckt – wie das „Untreue-Gen“ –, die scheinbar unmittelbar auf bestimmte Eigenschaften schließen lassen. Solche Leistungen der Wissenschaft veranlassen viele dazu, die Möglichkeiten genetischer Vorhersagen zu überschätzen. Und so werden mit der Leichtgläubigkeit von Laien gute Geschäfte gemacht.
Es erinnert ein bisschen an Wahrsagerei: Die genetische Vorausschau auf unser Verhalten verkauft sich gut, auch wenn solche Vorhersagen oft mehr als fragwürdig sind. Ein Beispiel ist das Geschäftsmodell der Schweizer Firma GenePartner, die ihren Sitz in der Nähe von Zürich hat. Auf der Basis einer firmeneigenen Studie errechnen die Betreiber des Unternehmens, wie gut bestimmte Paare zusammenpassen und wie es um die langfristigen Chancen ihrer Beziehung bestellt ist. Diese Studie wurde jedoch nieveröffentlicht – den angeblich seriösen wissenschaftlichen Schlüssel ihrer Arbeit hält die Firma geheim. Grundlage ihrer Vorhersagen ist allein die Kombination der HLA-Gene zweier Partner, die, wie wir bereits gesehen haben, biologisch für eine gute Immunabwehr bei möglichen Nachkommen sorgen soll. Die von GenePartner ermittelten Testergebnisse, die meist eine gute Beziehung prophezeien, sind bestenfalls nicht falsch – insofern, als die Natur uns anscheinend immer schon dazu bewogen hat, uns mit den richtigen Partnern zu verbinden. Sie sind jedoch trügerisch, denn an der Chemie der Anziehung zwischen zwei Menschen sind sehr viel mehr Faktoren beteiligt, als es der berühmte T-Shirt-Versuch glauben machen will. So haben andere Studien ergeben, dass es sich bei den Gesichtern, die wir attraktiv finden, genau umgekehrt verhält: Hier bevorzugen wir eindeutig Personen, deren HLA-Gene unseren eigenen ähnlich sind.
Inzwischen vertritt kaum ein ernstzunehmender Wissenschaftler mehr die These, der Mensch sei durch seine Gene ein für alle Mal festgelegt und sein ganzes Leben durch die biologische Natur vorherbestimmt. Unsere genetische Disposition stellt einen Bauplan dar, einen ersten Entwurf dafür, mit welchen Eigenschaften und charakterlichen Merkmalen wir uns entwickeln. Dieser Bauplan ist aber sehr flexibel. Auf unsere konkrete Persönlichkeit, darauf, wie intelligent, erfolgreich, gebildet, wohlhabend, liebevoll und treu wir einmal werden, haben nichtbiologische Faktoren wie Erziehung, soziales Umfeld und alles, was wir erleben, einen ebenso großen oder sogar größeren Einfluss. Wie das, was wir sind und was wir tun, durch biologische, soziale und andere Faktoren bedingt ist, wie stark die Gene und die Biochemie im Kopf uns bestimmen und wie sehr wir dazu in der Lage sind, unsere einmal in dieForm gegossene Persönlichkeit zu modellieren, uns zu verändern – darüber gibt es heute ein sehr großes Spektrum von Meinungen.
Auch Männer haben eine Wahl
Die wissenschaftliche Erforschung der Liebe steht, sei es in der Neurobiologie, der Genetik oder der Hirnforschung, noch am Anfang. Auch wenn die Ergebnisse uns staunen lassen, sollten sie nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir wesentlich mehr nicht wissen, als wir wissen oder zu wissen glauben. Die Mechanismen der Liebe, vor allem aber ihr Zusammenhang mit anderen Phänomenen wie der Motivation, der Leistungs- und der Lernfähigkeit, sind erst in Ansätzen erforscht.
Doch was bedeuten die schon bekannten Ergebnisse? Was bedeutet es, dass Donald Draper sich wie eine Präriewühlmaus verhält? Gehen wir falsch in der Annahme, dass seine Melancholie die Trauer um eine verlorene Liebe darstellt? Dass die Seitensprünge sich als fahler, oberflächlicher Sex offenbaren, weil die Liebe zu einem Partner und den Kindern weit mehr ist als die Befriedigung des biologischen Triebs? Erliegen wir einem romantischen Irrglauben, wenn wir meinen, Draper habe nicht nur einen Partner für das Bett und die Erziehung der Kinder, sondern auch eine Gefährtin verloren – den einen Menschen, mit dem er seine Lebensansichten, politischen Überzeugungen, Interessen, Vorlieben, Abneigungen sowie alle Höhen und Tiefen des Alltags teilt?
Nachdem insbesondere die Hirnforschung in ihrer ersten Zeit bahnbrechender Entdeckungen dazu neigte, den Menschen als gänzlich determiniert anzusehen – alsodurchweg bestimmt von neuronalen Strukturen und biochemischen Prozessen –, führt die inzwischen beobachtete Plastizität des Gehirns zu einem überraschend anderen Schluss. Er scheint unsere romantische Intuition zu
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