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Exzession

Exzession

Titel: Exzession Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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ausdrücken
können, aber ich nehme diesen moralischen Blankoscheck mit all
der Ehrerbietung an, die er verdient.
    00
    Ich werde die Sleeper Service anrufen. Sie wird keine
Notiz von mir nehmen, aber trotzdem werde ich diese Fleischfickerin anrufen.

 
IV
     
     
    Genar-Hofoen nahm sein Schreibstift-Terminal nicht mit, als er an
diesem Abend ausging, und der erste Ort, den er in Night City
aufsuchte, war ein Stuf-Sintrikat / Ishlorsinami-Tech-Laden.
    Die Frau war klein für eine Ishy, dachte Genar-Hofoen.
Dennoch überragte sie ihn. Sie trug das übliche schwarze
Gewand, und sie roch… muffig. Sie saßen auf flachen,
niedrigen Sitzen in einer Blase von Schwärze. Die Frau beugte
sich über einen kleinen Faltbildschirm, der wackelig auf ihren
Knien stand. Sie nickte und bog den Körper zu ihm herüber.
Sie streckte die Hand aus, kam seinem linken Ohr nahe. Mehrere
leuchtende Teleskop-Ruten wuchsen aus ihren Fingern. Sie schloß
die Augen. In der Düsternis sah Genar-Hofoen winzige Lichter an
der Innenseite ihrer Lider flackern.
    Ihre Hand berührte sein Ohr, was ein leichtes Kribbeln
hervorrief. Er spürte, wie sein Gesicht zuckte. »Beweg dich
nicht«, sagte sie.
    Er versuchte stillzuhalten. Die Frau zog die Hand zurück. Sie
öffnete die Augen und starrte auf den Punkt, wo sich die Spitzen
von drei der feinen Ruten trafen. Sie nickte und sagte:
»Hmm.«
    Genar-Hofoen beugte sich nach vorn und blickte ebenfalls zu der
Stelle. Er sah gar nichts. Die Frau schloß erneut die Augen;
ihre Lid-Bildschirme erloschen.
    »Sehr fein«, sagte sie. »Vielleicht ist es dir
entgangen.«
    Genar-Hofoen betrachtete seine rechte Handfläche. »Bist
du ganz sicher, daß an dieser Hand nichts ist?« fragte er,
da er sich an Verlioef Schungs festen Händedruck erinnerte.
    »So sicher, wie ich nur sein kann«, antwortete die Frau,
während sie ein kleines durchsichtiges Behältnis aus ihrem
Gewand zog und in dieses das hineinfallen ließ, was immer sie
ihm aus dem Ohr genommen haben mochte. Er konnte dort immer noch
nichts sehen.
    »Und was ist mit dem Anzug?« fragte er und betastete die
Revers seiner Jacke.
    »Sauber«, sagte die Frau.
    »Das war’s dann also?« fragte er.
    »Das war alles«, bestätigte sie. Die schwarze Blase
verschwand, und sie saßen in einem kleinen Zimmer, dessen
Wände von Regalen gesäumt waren, die vollgestopft waren mit
einem undurchdringlichen Gewirr von technisch aussehenden
Gegenständen.
    »Na gut, danke.«
    »Das macht achthundert Stuf-Sintrikatstunden-Äqui-
valente.«
    »Ach, runden wir es zu einem vollen Tausender auf.«

    Er wanderte durch die Straße Sechs, im Herzen von Stufs
Night City. Es gab überall in der entwickelten Galaxis Night
Cities; das war eine Art von Wohnanlagen-Privileg, obwohl anscheinend
niemand so genau wußte, worauf sich dieses Privileg
stützte. Night Cities waren von Ort zu Ort sehr unterschiedlich.
Das einzige, wovon man mit Sicherheit bei ihnen ausgehen konnte, war
der Umstand, daß es stets Nacht war, wenn man dort eintraf, und
daß es keine Entschuldigung dafür gab, sich nicht zu
amüsieren.
    Stufs Night City lag auf der mittleren Ebene der Welt, auf einer
kleinen Insel in einem flachen Meer. Die Insel war vollständig
bedeckt von einer Kuppel, die zehn Kilometer im Durchmesser und zwei
in der Höhe maß. Im Innern neigte die City dazu, ihr
Erscheinungsbild dem Motto des jährlichen Festivals anzupassen.
Als Genar-Hofoen das letzte Mal hier gewesen war, hatte der Ort das
Aussehen einer vergrößerten Meereslandschaft angenommen
gehabt, indem alle Gebäude sich in Wellen von einer Höhe
zwischen ein- und zweihundert Metern verwandelt hatten. In jenem Jahr
war das Motto das Meer gewesen; die Straße Sechs war in dem
langen Wellental zwischen zwei außerordentlich hohen Wogen
verlaufen. Kräuselungen auf den sich aufbäumenden
Wellenkämmen waren hellerleuchtete Balkone gewesen. Leuchtender
Schaum auf dem hohen, sich überschlagenden Kamm jeder Welle
hatte ein fahles, düsteres Licht auf die gewundenen
Straßen darunter geworfen. An beiden Enden war die breite
Straße zu sich überkreuzenden Wellenfronten angestiegen
und hatte sich – mittels ozeanisch nicht authentischer Tunnels
– mit anderen Straßen verbunden.
    In diesem Jahr lautete das Motto ›Primitive Welt‹, und
die City hatte sich dafür entschieden, es in Form eines riesigen
urzeitlichen elektronischen Schaltkreises umzusetzen. Das silberne
Straßennetz bildete eine beinahe vollkommene

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