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Exzession

Exzession

Titel: Exzession Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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Wolkenstock
in der anderen, und einen kleinen Puff-Creant auf einer Schulter, der
es sich auf seiner makellosen Eigenhaut-Jacke gemütlich gemacht
hatte. Der 9050 war ein Cocktail, zu dessen Herstellung
bekanntlicherweise dreihundert verschiedene Mischvorgänge
nötig waren, und bei vielen davon ergaben sich unwahrscheinliche
und sogar unangenehme Kombinationen von Pflanzen-, Tier- und anderen
Substanzen. Das Endergebnis war ein annehmbares, wenn auch etwas
kräftig schmeckendes Getränk, das zum überwiegenden
Teil aus Alkohol bestand; man nahm es jedoch weniger wegen der
beflügelnden Wirkung zu sich, sondern vor allem, um zu zeigen,
daß man es sich leisten konnte. Es wurde in besonderen
Kristallfeld-Kelchen gereicht, damit auch jeder gleich sehen konnte,
was man da Feines trank. Der Name sollte andeuten, daß man,
wenn man ein paar davon in sich hineingekippt hatte, mit
neunzigprozentiger Sicherheit mit jemandem im Bett landen und mit
fünfzigprozentiger Sicherheit mit dem Gesetz in Konflikt geraten
würde (oder umgekehrt – Genar-Hofoen verwechselte das immer
wieder).
    Der Wolkenstock war ein Spazierstock, der feste Kugeln aus einer
milden und kurzzeitig wirkenden psychotropischen Mischung verbrannte;
wenn man an seiner durchbohrten oberen Kappe saugte, war das, als ob
man sich zwei Zerrlinsen vor die Augen schöbe, den Kopf unter
Wasser hielte und sich eine Chemiefabrik in die Nase steckte,
während man auf einem schwankenden Gravitationsfeld stand.
    Der Puff-Creant war ein kleiner Symbiont, halb tierisch, halb
pflanzlich, den man dafür bezahlte, daß er sich einem auf
die Schulter hockte und einem jedesmal in die Nase hustete, wenn man
den Kopf zu ihm umwandte. Der Husten enthielt Sporen, die auf
ungefähr dreißig verschiedene interessante Arten auf die
Wahrnehmung und die Stimmung wirkten.
    Genar-Hofoen war ganz besonders angetan von seinem neuen Anzug. Er
war aus seiner eigenen Haut hergestellt, auf eine raffinierte Weise
genetisch verändert, spezialgegerbt und den besonderen
Anforderungen entsprechend zugeschnitten. Er hatte zweieinhalb Jahre
zuvor einem Gen-Schneider hier auf Stuf einige Hautzellen
überlassen – und gleichzeitig einen Auftrag erteilt und im
voraus bezahlt –, als er unterwegs war zum Habitat Gottesloch.
Das war nach einem Besäufnis aus einer spontanen Laune heraus
geschehen (genau wie eine bewegliche unanständige
Tätowierung, die er sich einige Monate später hatte
entfernen lassen). Er hatte eigentlich nicht damit gerechnet,
daß er den Anzug in absehbarer Zeit abholen würde. Zum
Glück hatte sich die Langzeit-Mode unterdessen nicht allzu sehr
geändert. Der Anzug und der dazugehörende Umhang sahen
großartig aus. Er war bester Stimmung.
    SPADASSINS DIGLADIATE! ZIFFIDAE UND XEBECS ZUFRIEDEN! GOLIARD
TUNKE!
    Slogans, Zeichen, Ankündigungen, Gerüche und
persönliche Grußbotschaften buhlten um Aufmerksamkeit,
Werbeflächen und Standorte. Verblüffende Land- und andere
-schaften und Szenen spielten sich in Bewußtseinsblasen ab, die
sich bis zur Mitte der Straße hinauswölbten und einen auf
der Stelle in Schlafzimmer, Festsäle, Arenen, Harems,
Ozeandampfer, Jahrmärkte, Raumschlachten oder Zustände
zeitweiser Ekstase versetzten; verlockend, beschwörend,
eindringlich, sich willig darbietend, höchste Wonnen
verheißend, appetitanregend, Sehnsüchte weckend; voller
Versprechungen, zur Kuppelei und allen Schandtaten bereit.
    RHYPAROGRAPHIE! KEOIDALE ANAMNESE! IVRESSE!
    Genar-Hofoen schritt durch all das hindurch, nahm alles in sich
auf, widerstand allen Angeboten und Verheißungen, lehnte
höflich alle Aufforderungen und Vorspiele ab, ging auf keine
Empfehlung und Einladung ein.
    ZUFULOS! ORPHARIONS! RASIRAE! STÜNDLICH NAUMACHIA!
    Im Augenblick war er ganz zufrieden damit, einfach hier zu sein,
herumzuschlendern, spazierenzugehen, zu sehen und gesehen zu werden,
anzumachen und – mit etwas Glück – angemacht zu
werden. Es war Abend – echter Abend – auf dieser Ebene von
Stuf, die Zeit, zu der Night City allmählich zum Leben erwachte;
alles war geöffnet, nirgends war es voll, jeder warb um Kunden,
doch bis jetzt ließ sich noch niemand irgendwo richtig nieder,
man drehte seine Runden, sah sich alles an, streckte die Fühler
aus. Genar-Hofoen genoß es, Teil dieses allgemeinen Stroms zu
sein; er liebte es, schwelgte in diesem herrlichen Zustand. Hier
fühlte er sich so sehr zu Hause wie nirgendwo sonst. Im
Augenblick hätte es keinen Ort gegeben, an dem er sich

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