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Exzession

Exzession

Titel: Exzession Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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mehr dran war, als man ihm verraten hatte, und er
zweifelte nicht daran, daß er auch in Zukunft manipuliert und
benutzt werden würde, aber vorausgesetzt, der Preis stimmte, den
sie ihm zahlen würden, war ihm das gleichgültig, und
zumindest hörte sich die Aufgabe an sich recht einfach an.
    Er hatte vorsichtshalber die Geschichte überprüft, die
sein Onkel ihm über das Verschwinden der tausend Milliarden
Jahre alten Sonne und das umlaufende Artefakt erzählt hatte. Und
wirklich, er hatte etwas Entsprechendes gefunden; eine
halb-mythologische Geschichte, tief in den Archiven vergraben, eine
von unzähligen kühnen Erzählungen mit
enttäuschend wenig Beweisen, die sie untermauerten. Gewiß
war niemand in der Lage, schlüssig aufzuklären, was sich in
diesem Fall wirklich zugetragen hatte. Und natürlich gab es
niemanden mehr, den man hätte fragen können. Mit Ausnahme
der Dame, zu der er reisen sollte, um mit ihr zu sprechen.
    Die Kommandantin des Gutschiffes Problemkind war
tatsächlich eine Frau gewesen: Zreyn Tramow. Die Ehrenwerte
Kontaktflotten-Kapitänin Gart-Kepilesa Zreyn Enhoff Tramow
Afayaf dam Niskatwest, um ihren offiziellen Titel und ihren vollen
Namen zu nennen. Die Archive enthielten ein Bild von ihr. Sie sah
stolz und fähig aus; ein blasses, schmales Gesicht mit eng
zusammenstehenden Augen, zentimeterkurzem blondem Haar und
dünnen Lippen, jedoch lächelnd, und mit einem Ausdruck in
den Augen, der auf ihn zumindest wie ein intelligentes Strahlen
wirkten. Er fand ihr Äußeres angenehm.
    Er fragte sich, wie es wohl sein mochte, zwei-und-etwas
Jahrtausende lang eingelagert gewesen zu sein und dann aufzuwachen,
ohne einen Körper, in den sie hätte zurückkehren
können, und in Gegenwart eines Mannes, den sie noch nie zuvor
gesehen hatte und der auf sie einredete. Und versuchte, ihre Seele zu
stehlen.
    Er betrachtete das Foto eine Zeitlang und versuchte, hinter diese
spöttischen, klaren blauen Augen zu blicken.

    Sie spielten noch mal zwei Runden Fledermausball; Fivetide gewann
auch diese. Am Ende zitterte Genar-Hofoen vor Erschöpfung. Dann
war es Zeit, sich frischzumachen und sich in die Offiziersmesse zu
begeben, wo an diesem Abend ein festliches Dinner mit vollem
Uniformzwang stattfinden sollte, denn es war der Geburtstag von
Kommandant Kindrummer VI. Das Gelage dauerte bis spät in die
Nacht; Fivetide brachte dem Menschenmann einige unanständige
Lieder bei, Genar-Hofoen revanchierte sich auf passende Weise; zwei
Geschwaderkapitäne der Atmosphären-Waffe lieferten sich ein
nur halbernstes Duell mit Zylinderflanschen – viel Blut, kein
Verlust an Gliedmaßen, ehrenhafte Satisfaktion –, und
Genar-Hofoen gab einen Drahtseilakt über die Tischgrube des
Kommandanten zum besten, während die Kratzhunde unter ihm
heulten. Der Anzug schwor, daß er an dem Meisterstück
unbeteiligt war, obwohl er sicher war, daß er ihn ein paarmal
im Gleichgewicht gehalten hatte. Er sagte jedoch nichts.
    Um sie herum fuhren der Kreuzer Küß Die Klinge und zwei Begleitschiffe mit voller Geschwindigkeit durch den Raum
zwischen den Sternen, in Richtung des Habitats Stuf.

 
IV
     
     
    Ulver Seich wachte auf die beste aller Arten auf. Sie tauchte mit
einer schlaffen Trägheit durch flaumige Schichten üppiger
Halbträume und Erinnerungen voller Süße, Sinnlichkeit
und purer Fleischeslust auf – um zu erleben, wie all das
ziemlich rasch in die Wirklichkeit und die gegenwärtigen
Ereignisse überging.
    Sie spielte mit dem Gedanken, so zu tun, als ob sie noch schliefe,
aber dann mußte er offenbar genau die richtige Stelle
berührt haben, so daß sie nicht umhin konnte, einen Laut
von sich zu geben und sich zu bewegen und sich zu spannen; also
rollte sie sich herum, nahm sein Gesicht in die Hände und
küßte es.
    »Oh nein«, keuchte sie und lachte. »Hör nicht
auf; das ist eine nette Art, guten Morgen zu sagen.«
    »Es ist beinahe Nachmittag«, hauchte der junge Mann.
Sein Name war Otiel. Er war groß und ziemlich
dunkelhäutig, und er hatte wundervolle blonde Haare und eine
Stimme, die einem über hundert Meter eine Gänsehaut
über den ganzen Körper jagen konnte – oder, noch
besser, über ein paar Millimeter. Student der Metaphysik. Ein
eifriger Schwimmer und Steilwandkletterer. Derjenige, an den sie am
Abend zuvor ihr Herz verloren hatte. Derjenige, der ihre Beine
mochte. Mit langen, feinfühligen Fingern.
    »Hmm… Ehrlich? Na ja… weißt du…
vielleicht kannst du mir das später sagen, aber jetzt

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