Ezzes
wisst.“
Es brauchte nicht lange, bis Bronstein erkannte, dass die beiden Frauen wirklich guten Willens waren, ihm zu helfen, aber einfach nichts wussten, was ihm weiterhelfen würde. Esklang für ihn durchaus überzeugend, dass sie Guschlbauer niemals in Begleitung einer weiteren Person gesehen hatten, dass er ihnen niemals etwas über sein Leben erzählt oder sonst irgendwelche Schritte gesetzt hatte, die seine Ermordung in einem neuen Licht erscheinen lassen konnten. Mitzi und Fini waren für Guschlbauer eine Art Urlaubsort gewesen, wohin er sich zurückzog, wenn er Ablenkung suchte. Und die beiden verließen kaum jemals ihre Wohnung, sodass ihnen die Welt draußen sichtlich fremd war. Es stellte sich heraus, dass sie nicht einmal die alte Lifschitz kannten, geschweige denn sonst jemanden, der unter demselben Dach schlief. Und die erste Stiege war für Fini und Mitzi schon beinahe ein anderer Kontinent. Sie sprudelten zwar förmlich über in ihrem Bemühen, Bronstein alles zu sagen, was sie wussten, doch das war eben nicht gerade viel. Dabei konnte er allerdings ihre sorgenvollen Gesichter sehen, die mehr und mehr die Angst widerspiegelten, welche die beiden vor der Perspektive empfanden, nun etwa ins Gefängnis zu müssen. Am Ende der Unterhaltung traf Bronstein daher eine Entscheidung.
„Gut“, sagte er, „ihr habt wirklich versucht, mir zu helfen, das anerkenne ich. Es hat zwar nicht unbedingt den Anschein, als würde mir das sonderlich weiterhelfen, aber der Wille gehe in diesem Fall fürs Werk. Vorerst will ich daher vergessen, womit ihr bislang euer Geld verdient habt.“ Die Wohnung erzitterte förmlich durch die Erschütterung, die der große Stein verursachte, der Mitzi und Fini vom Herzen fiel. „Aber“, wehrte Bronstein voreiligen Optimismus ab, „es könnte mir jederzeit wieder einfallen. Also: Ab sofort ist Schluss mit dieser Art von … Beschäftigung. Am besten wäre es, wenn ihr hier auszieht und euch eine unauffälligere Bleibe zulegt als diese. Und es ist natürlich vollkommen klar, dass ihr keinen Schritt setzt, ohne mich zuvor davon zu informieren, haben wir uns verstanden?“
Die beiden nickten artig.
„Also gut. Hier ist meine Karte. Ihr ruft mich an, sobald ihr eine neue Wohnung habt, damit ich weiß, wo ich euch erreichen kann. Und bis diese Sache hier erledigt ist, tut ihr nichts ohne meinen vorherigen Sanktus.“
Wieder bewegten die beiden ihre Köpfe auf und ab.
Bronstein erhob sich und stemmte die Hände in die Hüften: „Ihr seid beide noch so jung. Man muss sein Leben nicht auf so verdorbene Weise führen. Unsere Wirtschaft blüht wieder, die Zeit der Krise ist unwiderruflich vorbei, es geht aufwärts. Man braucht Arbeitskräfte wie euch. Versucht es mit ehrlicher Arbeit. Ihr werdet schwitzen, ihr werdet müde sein, aber ihr werdet euch wieder in den Spiegel schauen können. Die Zukunft liegt immer noch vor euch. Macht was draus.“
Bronstein wartete die Reaktion der beiden nicht ab, nickte ihnen nur kurz zu und verließ die Wohnung. Nachdem er die Tür hinter sich geschlossen hatte, atmete er tief durch. Das war ja eine feine Rede gewesen, vielleicht sollte er in die Politik gehen. Mit einem selbstzufriedenen Grinsen nahm er die ersten Stufen und schritt die Treppe hinunter.
Im Lichthof verflog seine Hochstimmung allerdings schon wieder. Es war äußerst unwahrscheinlich, dass Guschlbauers Mörder hier zu finden war. Das Motiv fehlte. Die meisten derer, die hier wohnten, waren illegal da und würden ihre Lage nur noch mehr verschlimmern, wenn sie just jenen Mann umbrachten, der ihnen Unterschlupf gewährte. Und selbst wenn einer der Bewohner zu dem Schluss gekommen war, er müsse den Blutsauger vom Leben zum Tod befördern, dann wäre er kaum in die Innenstadt gefahren und hätte ihn dort erstochen. Noch dazu mit heruntergelassenen Hosen. Das passte einfach nicht. Nein, Guschlbauers Tod musste einen anderen Hintergrund haben. Wenn es stimmte, was ihm Mitzi und Fini erzählt hatten, dann war Guschlbauer mit ihnen seit geraumer Zeit nicht mehr sexuell tätig gewesen. Die Entblößung seiner Geschlechtsteilehatte aber ohne Zweifel einen sexuellen Hintergrund. Also musste man zwangsläufig der Frage nachgehen, wo Guschlbauer in den letzten Monaten seinen sexuellen Appetit gestillt hatte. Dort würde sich weit eher ein Motiv finden lassen.
Bronstein blickte auf seine Uhr. Es blieben nur noch wenige Minuten bis Dienstschluss, sodass es wohl keinen Sinn mehr hatte, noch
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