Ezzes
ihre Freundin auch lügen würde.
„Guschlbauer war also allein, als Sie ihn verließen?“
„Ja.“
Bronstein spielte mit der Zündholzschachtel, weil er sich nicht noch eine Zigarette anzünden wollte, und überlegte, ob er so weit alle nötigen Fragen gestellt hatte. Er wollte schon für das Gespräch danken und sich erheben, als ihm noch etwas einfiel: „Sagen Sie, wer stand eigentlich an Ihren freien Tagen im Laden? Der Guschlbauer selbst?“
„Wohl kaum“, antwortete die Frau mit einem spöttischen Grinser auf den Lippen, „der hat wohl seit dem Ende der Monarchie nicht mehr gearbeitet. Er hatte da irgendso ein Mädchen aus Simmering, glaube ich, das in Wirklichkeit schwarz gearbeitet hat an diesen beiden Tagen. Ziemlich jung, wenn Sie mich fragen, aber wir sind uns nur ein einziges Mal begegnet, und um ehrlich zu sein, weiß ich nicht einmal den Namen.“
Bronstein nickte: „Gut. Das ist vorerst alles. Ich danke für Ihre Zeit – und für das Glas Wasser. Ich würde Sie bitten, sich in den kommenden Werktagen zu unserer Verfügung zu halten. Und falls Ihnen noch etwas einfällt – der Name des Mädchens etwa –, dann setzen Sie sich bitte mit uns ins Einvernehmen. Hier ist meine Karte.“
Die Gindl nahm das Druckwerk entgegen und gab mit dem Kopf ein Zeichen der Zustimmung. Beide erhoben sich, und die Gindl brachte Bronstein zur Tür. Er zwang sich, nicht noch einmal ihre Figur anzustarren und richtete seinen Blick stur geradeaus, ihre Ohren fixierend. Er stand bereits auf dem Gang, als er der Frau seine rechte Hand hinhielt: „Ich wünsche einen guten Tag.“
Die Gindl ergriff sie: „Das wünsche ich Ihnen auch.“
Wieder auf der Straße sah Bronstein automatisch auf seine Uhr. Er konnte ruhigen Gewissens Dienstschluss machen und alle weiteren Angelegenheiten auf den kommenden Morgen vertagen. Während er auf die Straßenbahnstation zuhielt, ging er seine Optionen durch. Er konnte nach Margareten zurückfahren und im Silberwirt ein Nachtmahl einnehmen. Er konnte aber auch den schönen Sommerabend dazu nutzen, sich wieder einmal in einen Heurigen zu verpflanzen. Wenn er sich zum Bürgerplatz durchschlug, dann war es von dort nicht mehr weit an die Stadtgrenze, und unmittelbar dahinter, im niederösterreichischen Oberlaa, gab es einige hervorragende Lokale, in denen man ebenso gut wie kostengünstig essen und trinken konnte. Die öffentlichen Verkehrsmittel gingen zwar nur bis Rothneusiedl, doch von dort waren es höchstens zehn bis fünfzehn Minuten Fußmarsch zu den diversen Etablissements, und das sollte er sich in seinem Alter durchaus noch zutrauen können, dachte er. Er fuhr also kurzerhand zur Quellenstraße, stieg dort um und landete wenige Minuten später an der Kreuzung zur Laxenburger Straße, wo er mit einer dritten Straßenbahnlinie nach Rothneusiedl aufbrach. Unterwegs merkte er, dass er schon lange nicht mehr in dieser Gegend gewesen war. Alles veränderte sich, überall wurde gebaut, er erkannte die einzelnen Grätzel kaum wieder. Bis hinauf zum alten Landgut hatte sich Favoritens Gesicht merklich gewandelt, und selbst am Laaer Berg herrschte nicht mehr die wildwuchernde Wildnis, die Bronstein in Erinnerung hatte. Erst als er an der Kreuzung zur Himberger Straße ausstieg, fühlte er sich wieder auf vertrautem Terrain. Hier, an der Stadtgrenze, war noch alles so, wie er es gewohnt war. Die Felder wogten links und rechts der eingleisigen Güterbahnlinie, und abgesehen von dem kleinen Bahnhofsgebäude und den paar Häusern des Dorfes Oberlaa war kein Anzeichen menschlichen Wirkens zu erkennen. Bronstein atmete tief ein und streckte sich. Er genoss es, wieder einmal in der freien Natur zu sein, und so marschierte er vergnügt den Trampelpfad durch die Felder entlang, dabei stets die Oberlaaer Kirche im Blick behaltend, die ihm quasi als Leuchtturm zu seinem Zielhafen diente. Das Korn schien ihm schon reif zur Ernte zu sein, doch gestander sich ein, von derlei Dingen nicht wirklich etwas zu verstehen, weshalb er auf eine weitere Observation verzichtete. Kurz bevor er den Liesingbach erreichte, wandte er sich nach links und registrierte erstaunt, dass selbst hier in Oberlaa Spuren von Bautätigkeit zu erkennen waren. Die Dorfstraße war an ihrer rechten Seite aufgegraben, und Bronstein schloss aus den neben den einstöckigen Bauernhäusern gelagerten Rohren, dass hier eine Wasserleitung verlegt werden sollte. Die moderne Zeit hielt also auch hier Einzug.
„Es wird a Wein sein
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