Ezzes
Feldsteinverrückungen behandelt hatte. Wer auch immer hier seinem Beruf nachging, es war offenkundig, dass er nicht sehr beschlagen in seinem Metier war.
Andererseits, so dachte Bronstein weiter, während er sich ein Glas Wasser eingoss, lautete die Anklage ja nur auf Vergehen gemäß Paragraph 87. Und dafür gab es schon zum jetzigen Zeitpunkt des Verfahrens genug Zeugen. Alle drei hatten geschossen und diese Tatsache auch eingestanden, alle drei waren daher schuldig. Die Frage, wer dann der fahrlässigen Tötung oder der vorsätzlichen schweren Körperverletzung mit Todesfolge schuldig war, musste vermutlich in einem weiteren Verfahren geklärt werden, dessen Basis durch dieses Urteil wohl erst gelegt werden sollte. So betrachtet war die Strategie der Staatsanwaltschaft dann doch wieder einigermaßen gewitzt. Man wiege den Gegner in vermeintlicher Sicherheit und schlage dann unerbittlich zu.
Gegner. Für die Staatsanwaltschaft war das ein recht einfaches Wort. Die Polizei hatte ihnen diesen ja schon zugeführt. Doch für die Polizei war es alles andere als einfach, den Gegner überhaupt auszumachen. So wie im Fall Guschlbauer, spann Bronstein den Gedanken weiter. Da wusste er nach wie vor gar nichts. Der Mann war nicht fassbar. Er schien kein Umfeld gehabt und ganz für sich allein gelebt zu haben. Doch wer würde dann Groll gegen ihn hegen? Doch die Frauen aus Simmering, auch wenn sie noch so unschuldig getan hatten? Nein, es klang plausibel, dass Guschlbauer sich nicht mehr mit ihnen abgegeben hatte, seit sie quasi auf den Strich gingen, sagte sich Bronstein. Eigentlich gab es ja nur zwei Möglichkeiten. Entweder hatte sich Guschlbauer ein neues Gspusi angelacht, was dann letztlich fatale Folgen hatte, oder irgendjemand wusste um Guschlbauers erotische Aktivitäten und wollte, um von sich selbst abzulenken, die Aufmerksamkeit der Ermittlungen in genau diese Richtung lenken.
Wenn es sich um einen Mord aus Leidenschaft handelte, dann standen zunächst einmal die Gindl und die zweite Verkäuferin im Visier, von der, wie sich Bronstein jetzt eingestand, noch nicht einmal der Name bekannt war. Er würde sich wohl bis zur nächsten Woche gedulden müssen, um dieser Person habhaft zu werden. Immerhin aber hatte die Gindl gesagt, die zweite Verkäuferin käme aus Simmering. Vielleicht handelte es sich um eine weitere Bewohnerin der Guschlbauer’schen Zinskaserne. Und noch etwas fiel Bronstein ein. Zuvor waren zwei andere Verkäuferinnen im Laden gewesen, die Guschlbauer dann wegen irgendeines Konflikts gefeuert hatte. Möglicherweise bot diese Geschichte einen Ansatzpunkt. Nur, wo sollte man herausfinden, um wen es sich da gehandelt hatte?
Bronstein blickte auf die Uhr. Es war knapp nach zehn Uhr morgens. Da er ab dem nächsten Tag ohnehin Urlaub hatte, konnte er durchaus noch einen Versuch unternehmen, in den Ermittlungen einen Fortschritt zu erzielen, dachte er sich und schickte sich an, nochmals in die Bartensteingasse zu fahren. Dass er dies auch deshalb tat, um eine Gelegenheit zu haben, noch einmal der Gindl ansichtig zu werden, gestand er sich nicht ein.
Nachdem er zu Fuß durch die Schloß- und dann durch die Pilgramgasse gegangen war, bestieg er einen Wagen der Stadtbahn, die ihn zum Karlsplatz brachte. Dort kämpfte er sich wieder ans Tageslicht und enterte eine Ringlinie. An der Station Parlament stieg er aus und ging die paar Meter hinauf zur Bartensteingasse. Er überprüfte noch kurz seine Adjustierung, atmete tief durch und trat dann in das Geschäftslokal.
Da stand sie. Die Blume aus dem Gemeindebau. Während sie offenbar Extrawurst abwog, hob sie instinktiv den Kopf, um die vermeintlich neue Kundschaft zu grüßen. Ein Lächeln, das Bronstein nicht zu deuten wusste, umspielte ihre Lippen, als sie knapp „’S Gott“ sagte. Dann wandte sie sich sofort wieder der Waage zu. „Elf Deka wären’s. Is des in Ordnung?“Die alte Krähe, der Gindls Rede galt, war Bronstein gar nicht aufgefallen. Ihr „Is scho recht“ klang ihm kakophonisch in den Ohren. „Und jetzt“, krächzte die Alte weiter, „brauchat i no an Tiegel Schmoiz, Freiln Karin.“
„Woll’n S’ es aufs Brot schmiern, oder brauchen S’ es zum Außebochn?“
Bronstein verstand den Sinn von Gindls Frage nicht, aber er ging davon aus, dass es irgendetwas mit unterschiedlicher Qualität zu tun haben musste. Die Alte aber war im Bilde und erklärte – sehr zum Leidwesen von Bronsteins Ohren – wortreich, dass sie gedenke, am
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