Ezzes
die Straße freigab. Wenige Augenblicke später fand er sich auf einer gemütlichen Sitzbank des Kaffeehauses wieder, von wo aus er einen guten Blick auf das Treiben draußen hatte. Er bestellte sich eine Schale Gold und zündete sich eine Zigarette an. Genussvoll blies er den Rauch aus und versuchte angesichts des zu erwartenden Gesprächs nicht in Euphorie zu verfallen. Wiewohl er genau wusste, dass die Gindl frühestens in zehn Minuten kommen würde, ließ er die Straße vor dem Café nicht aus den Augen. Er wollte keineswegs auf dem falschen Fuß erwischt werden, und so trachtete er danach, die Gindl schon von weitem zu sehen, um dann, wenn sie seiner ansichtig würde, einen möglichst guten Eindruckzu machen. Und immer wieder warf er einen Blick auf die Uhr.
Während er die eine Zigarette ausdämpfte und fast zeitgleich eine neue ansteckte, fühlte sich Bronstein wieder einmal von sich selbst beobachtet. Die Gindl konnte eine wichtige Zeugin sein, vielleicht war sie sogar unter die Verdächtigen einzureihen, und er saß da und benahm sich, als hätte er ein Rendezvous. Noch dazu mit einer Frau, die seine Tochter sein konnte. Wie alt mochte die Gindl sein? Das hatte er sie noch gar nicht gefragt, fiel ihm auf. War sie 21? Oder doch schon 23? Er zählte jedenfalls schon 44 Lenze, und in diesem Alter war es einfach unschicklich, mit einer derart jungen Dame an einem Tisch zu sitzen. Aber, so tröstete sich Bronstein, dieses Treffen war ja dienstlich, und da mochte es durchaus angehen. Außerdem, was kümmerte ihn, den Polizeioberst Bronstein, was irgendwelches Volk von ihm dachte? Schon eher beschäftigte ihn die Tatsache, dass er in seinem Alter immer noch Junggeselle war. Wann hatte er sich überhaupt zum letzten Mal mit einer Frau zu einem Stelldichein getroffen? Warum musste diese Gindl auch so hübsch sein? Er würde seine Arbeit sicherlich wesentlich professioneller erledigen können, wenn sie so aussah wie die Schüller. Ach, Bronstein und die Frauen, eine Tragödie in zahllosen Akten.
„So, da bin ich.“
Wie selbstverständlich hatte sich die Gindl zu ihm gesetzt. Ihm war natürlich nicht aufgefallen, dass sie schon das Lokal betreten hatte, zu sehr war er in seinen Gedanken versunken gewesen. Dabei hatte er sich so fest vorgenommen, sie stehend zu erwarten, ihr artig die Hand zu küssen und dann den Stuhl zurechtzurücken. Und jetzt saß er da wie ein alter Opa, der noch dazu keine Manieren hatte.
„Einen Tee, bitte.“
So, jetzt hatte sie auch noch ihre Bestellung selbst aufgegeben. Was war er bloß für ein Einfaltspinsel! Wenn die Gindlje etwas von ihm gehalten hatte, spätestens jetzt war er bei ihr unten durch. Er wagte nicht, sie anzusehen.
„Alsdern“, begann sie aufgeräumt und ohne Umschweife, „Sie wollten mich also noch etwas fragen?“
„Äh“, krächzte Bronstein, „ja.“
„Und? Nur heraus damit!“
„Wie Sie ja schon wissen, haben wir den Guschlbauer in einer, nun, sehr delikaten Situation gefunden. Und es gibt Hinweise, dass der Herr in gewisser Weise sehr aktiv war, wenn Sie wissen, was ich meine.“
„Ich habe den Vortrag von der Frau Schüller gehört“, sagte sie.
„Ja. Eben. Und sie hat mir, als ich ihr die Tasche nach oben getragen habe, in dieser Hinsicht noch mehr erzählt. Und genau dazu bräuchte ich jetzt Ihre Einschätzung.“
„Nämlich?“
„Na ja“, fuhr Bronstein zögerlich fort, „sie hat erzählt, dass der Guschlbauer seine Hände prinzipiell nicht bei sich behalten konnte.“
Gindls Gesicht verriet eine gewisse Ratlosigkeit. „Können Sie das auf Deutsch wiederholen?“
„Na ja, dass er auch im G’schäft immer wieder übergriffig worden ist, halt“, maulte er unwillig.
„Sie wollen wissen, ob er mich aus’griffen hat?“
Mein Gott, wie das klang. Noch dazu aus ihrem Munde. Bronstein unterdrückte ein Stöhnen. Schließlich rang er sich zu einem Nicken durch. Die Gindl streckte sich. „Ja mei“, begann sie schließlich, „eigentlich hab ich Ihnen das eh schon g’sagt. Er hat’s schon immer wieder probiert, wenn er sich auch bei mir net so wirklich getraut hat. I glaub, er hat si ein bissl vor meiner Intelligenz g’fürchtet, und d’rum hat er bei mir eher Sprüche geklopft als dann wirklich irgendwas zu machen.“
„Sprüche?“
„Na ja, was Männer so unter Komplimenten verstehen. Wissen S’ eh, mei, san Ihre Augerln heute wieder schee oder so an Blödsinn. Oder: Was, Sie geh’n allein heim? Ja wie gibt’s denn des
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