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Ezzes

Ezzes

Titel: Ezzes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Pittler
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so. Die Christlichsozialen sind weder christlich noch sozial, die Sozis sind nicht sozialistisch, und die Liberalen sind nicht liberal. Das sind alles nur Etiketten, die vor einer Wahl hergezeigt werden, um sie nach der Wahl sofort wieder zu vergessen.“
    „Ich kann mich noch daran erinnern, wie das in der Monarchie war. Da hatten auch viele das Gefühl, ihre Anliegen würden nicht berücksichtigt, und so wählten sie die modernen Volksparteien, und die alten Parteien gerieten ins Hintertreffen. Und wenn das jetzt für die neuen Parteien gilt, dann werden eben wieder andere Parteien aufsteigen. Ich denke, in der Demokratie gibt es einen beständigen Selbstreinigungsprozess. Das Vertrauen der Wähler ist nur geborgt, und wer es missbraucht, dem wird es auch früher oder später entzogen.“
    „Was Sie dabei aber übersehen, ist der Umstand, dass jede neue Partei sehr schnell in das System integriert wird. Das hat man doch gerade bei den Sozialdemokraten sehr schön verfolgen können. Vor zwanzig Jahren waren das noch Aussätzige der Gesellschaft, die kaum genug Geld hatten, um ihre Familien zu ernähren. Und heute sitzen sie in Ämtern, mit Würden nur soüberhäuft, und wissen gar nicht, wohin mit all dem Geld, das sie als Mandatare verdienen. Eben waren sie noch verfemt, auf einmal werden sie hofiert. Sie haben keinen Kontakt mehr zum Volk, dafür treffen sie täglich auf die anderen Parlamentarier, gehen mit denen essen, verkehren bald nur noch mit denen. Das schweißt zusammen, die gemeinsamen Interessen wirken bald mehr als der Wählerauftrag, den man eigentlich erhalten hat. Und so vertreten diese Leute doch nur allzu schnell ihre eigenen Interessen statt jene des Volkes. Sie wollen oben bleiben, und darum stimmen sie jeder Vorlage zu, egal, wie viel Schaden sie anrichtet, denn Marx hatte schon recht, als er feststellte, dass das Sein das Bewusstsein bestimmt. Sehen Sie sich doch nur einmal unsere Steuergesetzgebung an. Da könnte viel geschehen, wenn man nur wollte. Fast alle Steuern sind heute Massensteuern. Sie speisen sich aus dem Konsum, denn jeder von uns muss konsumieren, ob er nun will oder nicht. Aber für einen Reichen fallen die Abgaben im Verhältnis zu seinem Besitz natürlich viel geringer aus als für einen Armen, da sich der Steuersatz vom Preis des Produkts berechnet. Relativ gesehen kommt den Arbeiter sein Bier also viel teurer als den Unternehmer. Und gleichzeitig gibt es just dort kaum steuerliche Belastung, wo es Reiche treffen würde. Und vor allem werden die wesentlichen Belange gar nicht erst angetastet. Nehmen wir nur einmal den Besitz und das Vermögen. Durch unser Erbrecht ist gewährleistet, dass, wer reiche Vorfahren hat, auch selbst reich wird. Wo aber nichts ist, was zu erben wäre, da bleibt den Betroffenen nur das Elend. Erben oder verderben, sozusagen. Solange also nicht das Vermögen ordentlich besteuert und ungerechtfertigter Besitz nicht enteignet wird, ist die von Ihnen so verteidigte Demokratie nichts als eine Schimäre.“
    „Also wollen Sie doch den Kommunismus?“
    „Ich will Ehrlichkeit. Schon als Kind hat man mir beigebracht, ich soll nicht lügen. In der Politik ist die Lüge aberdas Handwerkszeug schlechthin. Da ist ja ein Diktator noch ehrlicher als ein demokratischer Parteiführer, denn der sagt wenigstens, was er vorhat, da weiß man, woran man ist. Aber bei diesen Demokraten weiß man nie, wie sehr sie einen am Ende des Tages betrogen haben.“
    „Vielleicht muss man erst einmal erlebt haben, was so alles an Diktatur möglich ist, um die Demokratie mit allen ihren Schwächen schätzen zu lernen“, gab Bronstein zu bedenken.
    Die Kvitek setzte abermals zu einer Replik an, doch ihr Vater nahm sie neuerlich an der Hand und sagte mit markanter Bestimmtheit in seiner Stimme: „Genug Politik jetzt. Das Dessert wird gleich aufgetragen. Wir sollten den Abend genießen. Und das gelingt wesentlich besser mit anderen Themen, denn, und da sind wir wahrscheinlich alle einer Meinung: politisch Lied, garstig Lied.“
    Es war der Tochter anzusehen, dass sie gerne weiterdisputiert hätte, doch sie fügte sich dem Willen des Vaters, und so unterhielt man sich in der Folge über Musik und Literatur, wo man freilich mehrmals Gefahr lief, ebenso hitzig zu streiten wie zuvor bei den politischen Fragen. Doch als der alte Kvitek unvermittelt damit begann, Witze zu erzählen, war alsbald jedwede Gemütsschwere vergessen, und hätten nicht die Kellner irgendwann damit begonnen,

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