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Ezzes

Ezzes

Titel: Ezzes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Pittler
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ausmachen kann, ging es Bronstein durch den Kopf, während er danach trachtete, vom Nebenwaggon aus nicht gesehen zu werden. Die Garnitur ruckelte noch ein wenig, dann kam sie zum Stillstand. Türen wurden quietschend geöffnet, und allgemeines Treiben setzte ein. Bronstein ließ ein paar Damen den Vortritt, dann stieg er selbst auf den Perron. Zwanzig Meter vor ihm verschwanden die Seiler und die Breuer gerade im Bahnhofsgebäude. Bronstein eilte ihnen nach. Beständig hielt er einen Abstand von fünfzehn bis zwanzig Metern, doch es war offensichtlich, dass sie sich in keinster Weise verfolgt fühlten. Sie spazierten ungezwungen stadtauswärts und hielten nach etwa zwanzig Minuten auf ein Haus zu, das an der Landstraße nach Linz lag.
    Bronstein verbarg sich hinter einem Baum und beobachtete dort, wie die beiden Frauen von einer älteren Dame in Empfang genommen wurden. Konnte das die Mutter Hildebrand sein? Nun trat noch ein Mann, der etwa fünfzig sein mochte, aus dem Haus, und die Art, wie er von der Breuer umarmt wurde, ließ in Bronstein die Vermutung aufkommen, es handle sich bei den beiden Welsern um die Eltern der Breuer. Er wartete noch einen Augenblick, bis sich die Tür wieder geschlossen hatte, dann ging er zum nächsten Haus auf der anderen Straßenseite und klopfte dort an. Als ihm geöffnet wurde, hielt er einfach seine Kokarde in die Höhe und fragte nur: „Wer wohnt da drüben?“ Er unterstrich seine Frage mit einem Fingerzeig in die entsprechende Richtung.
    „Die Breuer’schen. Warum?“
    Bronstein ging nicht näher auf die Gegenfrage ein. Er nickte nur, bedankte sich und schickte sich an, wieder zu gehen, ehe er doch noch innehielt und die Person, die eben im Begriff gewesen war, ihre Tür achselzuckend wieder zu schließen, fragte, ob sie eine billige Pension in der Nähe wisse.
    „Da? Sicher ned. Da gibt’s weit und breit koa Unterkunft ned. Die nächsten Fremdenzimmer hot die Gostwirtschoft in der Karpatenstraßen. Kennen S’ ned verfehl’n. Gasthaus Hildebrand.“
    Bronstein ging der Mund auf: „Hildebrand, ham Sie g’sagt? Gibt’s da a Tochter, die Kati hoaßt?“
    „Na, des is die Nichte. Die wohnt im Nebenhaus.“
    „Recht schönen Dank, Sie hamma sehr g’holfen. Wo geht’s da zur Karpatenstraßen?“
    „Gradaus bis zur Kreuzung, dann links, nu hundert Meter gradaus, und dann auf der rechten Seiten seng S’ eh scho.“
    „Na vielen Dank nochmals. Schönen Abend.“ Bronstein verbeugte sich leicht und ging in die beschriebene Richtung. Besser konnten sich die Dinge gar nicht fügen. Anstatt hier mühsam auf Breuer und Seiler zu warten, würde er direkt zur Hildebrand marschieren und die beiden Frauen quasi abfangen. Und ein Gasthaus war ohnehin eine erstrebenswerte Option.
    Er hatte mächtigen Hunger, was umso naheliegender war, als sich mittlerweile die Dämmerung über den Ort legte. Er beschleunigte seine Schritte und war erfreut, als er endlich den Gasthof vor sich sah. Er betrat das Gebäude von der Schankstube aus, nachdem er zuerst festgestellt hatte, dass jenes Gebäude, in dem Kati zu vermuten war, nur links vom Wirtshaus liegen konnte. Hinter der Schank füllte ein fülliger Mann von Ende fünfzig mit schweißnasser Glatze und hochgezwirbeltem Schnurrbart mehrere Gläser mit Bier. Wenn er nicht vorhatte, diese sämtlich selbst zu leeren, dann waren sie fraglos für den Tisch bei der Tür bestimmt, der als einziger besetzt war, und zwar von fünf Männern, die allesamt bereits in Pension zu sein schienen.
    „Grüß Gott schön“, begann Bronstein, „es hot g’hoaß’n, ma kriagat do a Fremdenzimmer.“
    Der Dickwanst erhob sich zu seiner vollen Größe. Er musterte Bronstein, zuckte dann mit den Schultern und widmete sich wieder den Biergläsern. „Monika“, schrie er über die Schulter, „a Quartiergost wa do.“
    Eine aparte, wenn vielleicht auch etwas spröde Landschönheit in Bronsteins Alter kam wie aufs Stichwort aus der Küche, wobei sie sich im Gehen die Hände in eine Schürze wischte, die sie um ihren Trachtenrock gebunden hatte. Sie grüßte Bronstein in der ortsüblichen Weise und fragte dann, womit sie behilflich sein könne.
    „I brauchat a Zimmer. Nach Möglichkeit Richtung Osten, i brauch in der Fruah de Sunn.“
    Bronstein war mitnichten zum Sonnenanbeter geworden, aber in genau dieser Richtung lag das Haus, in dem er die Verkäuferin vermutete. Ein Beobachtungsposten mochte da nicht schaden.
    „Jo, des warat des Zimmer über da Kuchl.

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