Ezzes
Mocht eana des nix?“
„Na.“
„Guat. Do warat da Schliessel. Tatatn S’ sunst no wos brauchn?“
„Wos zum Ess’n war grod recht.“
„Jo, a Schweinsbratl hätt’ ma no do. Mit Kraut und Knedl?“
„Do sogat i ned na.“ Bronstein bemühte sich um ein Lächeln. Die Wirtin erwiderte diese Geste und meinte, er solle einstweilen in der Stube Platz nehmen, sie werde sich sofort um das Gewünschte kümmern.
Bronstein ließ sich gleich neben der Schank nieder und orderte ein großes Bier. Dann zündete er sich eine Zigarette an und hing seinen Gedanken nach. Irgendwie musste er wohl an sich arbeiten. Je älter er wurde, desto mehr bestimmten das Essen, das Trinken und das Rauchen sein Leben. Tat erüberhaupt noch etwas anderes, als bloß irgendwie die Zeit zwischen zwei Mahlzeiten halbwegs sinnvoll zu überbrücken? Na ja, dachte er an den Nachmittag zurück. Es war ja nicht so, dass er nicht gerne auch etwas anderes täte, aber dazu fehlte zumeist die Gelegenheit. Und wenn es einmal eine zu geben schien, dann überlegte es sich die jeweilige Dame im letzten Augenblick doch anders.
Nein, daran durfte er nicht denken, sonst wurde er sofort spitz. Und was sollte er an diesem gottverlassenen Ort mit seiner Geilheit anfangen? Das fehlte noch! Ein Mann in den besten Jahren liegt im Zimmer eines Provinzgasthofs, hat einen Steifen und weiß nicht wohin damit. Nein, sein Leben war auch so schon traurig genug, da musste er nicht auch noch mit sexueller Erregung kämpfen. Hoffentlich kam das Essen bald, das würde ihn sicher ablenken. Außerdem, wie hieß es so schön? Essen war das Liebemachen des Alters. Na dann!
Doch halt. So leicht sollte er sich nicht geschlagen geben. Er war 44 Jahre alt. Im großen Krieg hatte er Soldaten gesehen, die an die fünfzig gewesen waren und immer noch agil genug, um aus einem Schützengraben zu springen. Wenn er also wollte, dass die Frauen in ihm nicht nur einen bedauernswerten Greis sahen, dem man über die Straße helfen musste, dann war es dringend erforderlich, dass er sich weniger lukullischen Genüssen hingab und mehr auf seine körperliche Ertüchtigung achtete. Und gleich morgen würde er diese Erkenntnis in die Praxis umsetzen. Der Schweinsbraten, der war halt schon bestellt, den sollte man nicht verkommen lassen, aber dann musste Schluss sein mit dem unvernünftigen Lebenswandel.
Und doch ertappte er sich dabei, die dargereichten Speisen mit grenzenlos schlechtem Gewissen zu verzehren. Jeder einzelne Biss blieb ihm schier im Halse stecken, endlos gekaut und trotzdem noch sperrig. Ihm war, als sähe er auf dem Teller nur sich selbst, ballonförmig und bemitleidenswert abstoßend.Aber durfte er, nur ob seiner eigenen Befindlichkeit, einer Landgasthofsköchin ein derart grausames Misstrauensvotum ausstellen? Ihre Kochkunst war fraglos ihr einziger Stolz, und wenn die Hälfte der Speise an die Küche zurückging, dann mochte das ganze Weltbild der frommen Frau ins Wanken geraten. Des Lebens ob solcher Scham überdrüssig geworden, würde sie in die Donau gehen, und mit einer solchen Tat auf seinem Gewissen mochte er keinesfalls leben. Da galt es denn doch, die eigenen Bedürfnisse hintanzustellen und mannhaft auch den zweiten Knödel noch zu verzehren. Immerhin tat er dies zu einem höheren Zweck.
Wenige Minuten später schob er den vollkommen leeren Teller von sich und griff nach seinen Zigaretten. Jetzt konnte er getrost mit sich ins Reine kommen. Ab sofort würde Schmalhans Küchenmeister sein. Dies umso mehr, als er ja nun wieder einen Grund hatte, auf sein Äußeres zu achten. Jelka würde ihn fraglos mehr schätzen, wenn er nicht aussah wie der Riese Timpetu.
Instinktiv blickte Bronstein auf die große Uhr, die über dem Eingang zur Küche hing. Um diese Uhrzeit war nicht mehr damit zu rechnen, dass sich im Nebenhaus noch etwas von Belang ereignen würde. Auch mit Breuer und Seiler rechnete er nicht. Er konnte sich also getrost auf sein Zimmer zurückziehen und ein wenig ausruhen, ehe er am folgenden Morgen Nägel mit Köpfen machte. Bronstein dämpfte die Zigarette aus und erhob sich. Er nickte dem Schankmeister zu und wünschte eine gute Nacht. Bereits bei der Treppe angelangt, blieb er abrupt stehen. Er schlug sich mit der flachen Hand auf die Stirn. Der Pokorny! Den durfte er unmöglich verkommen lassen. Eilig drehte er sich um und ging zurück in die Schankstube. „Haben Sie zufällig ein Telefon?“
Der Mann nickte wortlos und deutete mit einer leichten
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