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F (German Edition)

F (German Edition)

Titel: F (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Kehlmann
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an. «Im Ernst? Die Jungfrau, Wasser in Wein, die Auferstehung? Wirklich?»
    «Das ist ein Prozess.» Ich räusperte mich. «Im Glauben ist man immer auf dem Weg. Man ist nie –»
    «Du willst einfach nicht arbeiten!»
    Ich stand auf. Wie schaffte er es immer so schnell, mich wütend zu machen? Wieso stimmte immer alles, was er sagte, und wieso stimmte es immer auf so falsche Art?
    «Wenn dir das Beten irgendwann zu viel wird, kommst du angekrochen», sagte Eric. «Dann flehst du darum, dass ich dich anstelle.»
    «Und was tust du dann? Wenn ich angekrochen komme?»
    «Dann stelle ich dich an, was sonst? Du bist mein Bruder.» Er lachte und ging grußlos hinaus.
    «Er ist nervös in letzter Zeit», sagte Iwan. «Er schläft zu wenig. Nimm ihn nicht ernst.» Er schlug Mein Name sei Niemand auf, blätterte geistesabwesend ein paar Seiten um und klappte es wieder zu. «Ich habe auch mal geglaubt, ich wäre dem Teufel begegnet. Es war im Kaufhaus, da war ich zehn Jahre alt. Eine Frau an einem Wühltisch, sie sah nicht ungewöhnlich aus, und sie tat auch nichts Besonderes, aber ich wusste: Wenn ich ein paar Sekunden länger bleibe, passiert etwas Schreckliches. Mutter hat mich erst eine Stunde später gefunden, hinter einem Kühlschrank in der Elektroabteilung, sie war ganz außer sich vor Angst. Ich glaube immer noch, ich habe richtig reagiert. Wenn sie mich gesehen hätte …» Er blickte nachdenklich zum Fenster. Draußen schwang ein Gärtner seine Heckenschere, das Metall blitzte in der Sonne. «Aber das ist Unsinn. Ich war zehn.» Er sah auf die Tischplatte, dann zu mir, als hätte er für einen Moment vergessen, dass ich da war. «Und sonst? Absichten, Pläne? Macht man doch an seinem Geburtstag. Vorsätze?»
    «Ich trainiere für die Meisterschaften.»
    «Der Würfel schon wieder?»
    «Der Würfel.»
    «Viel Glück. Aber wichtiger …»
    «Ja?»
    «Nichts.»
    «Sag schon!»
    «Na ja, irgendjemand muss es wohl mal sagen. Solange noch Zeit ist, etwas dagegen zu tun. Du solltest …»
    «Ja?»
    «Egal.»
    «Sag es!»
    «Abnehmen, frommer Bruder. Noch geht es, aber später wird es immer schwieriger. Du solltest wirklich abnehmen.»

    Ist Mein Name sei Niemand ein fröhliches Experiment und damit das zweckfreie Produkt eines spielenden Geistes, oder ist es ein böswilliger Angriff auf die Seele jedes Menschen, der es liest? Niemand weiß es so recht, vielleicht stimmt ja beides zugleich.
    Den Anfang bildet eine altmodische Novelle über einen ins Leben aufbrechenden jungen Mann, von dessen Namen wir nur den ersten Buchstaben erfahren: F. Die Sätze sind wohlgebaut, die Erzählung fließt kraftvoll, fast läse man mit Vergnügen, hätte man nicht ständig das Gefühl, man würde verspottet. F wird auf die Probe gestellt, er bewährt sich, kämpft, lernt, gewinnt, lernt mehr, verliert und entwickelt sich fort, alles nach altbewährter Manier. Doch einem ist, als bedeute kein Satz einfach sich selbst, als beobachte die Geschichte ihren eigenen Fortgang und als stehe in Wahrheit nicht die Hauptfigur im Zentrum, sondern der Leser, der all dem so bereitwillig folgt.
    Nach und nach häufen sich kleine Unstimmigkeiten. F ist daheim, blickt hinaus in den Regen, zieht Jacke und Mütze an, nimmt seinen Regenschirm, verlässt das Haus, flaniert durch die Straßen, in denen es nicht regnet, zieht Mütze und Jacke an, nimmt den Regenschirm und verlässt das Haus, als hätte er das nicht eben schon getan. Kurz danach tritt ein entfernter Verwandter von ihm auf, von dem wir zuvor in einem Nebensatz erfahren haben, dass er bereits seit zehn Jahren tot ist, ein harmloser Jahrmarktsbesuch eines Großvaters mit seinem Enkel verwandelt sich in einen labyrinthischen Albtraum, eine folgenreiche Ungeschicklichkeit von F wird ohne Umschweife rückwirkend ungeschehen gemacht. Natürlich bildet man sich Theorien. Nach und nach hat es den Anschein, als käme man dem Verstehen näher, dann meint man sich bereits kurz davor, aber da bricht die Erzählung ab – einfach so, ohne Warnung, mitten im Satz.
    Wieder versucht man, sich darauf einen Reim zu machen. Vielleicht ist der Held gestorben. Vielleicht sind die Unstimmigkeiten Vorboten des Endes, die ersten schadhaften Stellen gewissermaßen, bevor das Gewebe vollends zerreißt. Denn was, scheint der Autor zu fragen, ist der Tod anderes als ein Ende mitten im Satz, über das der, den es betrifft, nie hinauskommt, als eine lautlose Apokalypse, in der nicht ein Mensch aus der Welt, sondern die Welt

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