F (German Edition)
darum schlechter?
«Natürlich nicht!», rufen Laien eilfertig aus, aber so einfach ist das auch wieder nicht. Ein und dasselbe Bild ist nicht dasselbe, wenn es von einem anderen stammt. Ein Werk ist eng verknüpft mit unserer Vorstellung davon, wer es wann, warum und aus welcher Not in die Welt gebracht hat. Ein Schüler, der alle Fertigkeiten seines Lehrers erworben hat und nun malt wie er, bleibt dennoch ein Schüler, und wären die Bilder van Goghs von einem wohlhabenden Herrn eine Generation später gemalt worden, man schriebe ihnen nicht den gleichen Rang zu. Oder etwa doch?
Denn tatsächlich liegen die Dinge noch schwieriger. Wer kennt schon Émile Schuffenecker? Und doch stammen von ihm mehrere Bilder, für die wir van Gogh verehren. Das wissen wir seit einer Weile, aber hat van Goghs Ruf dadurch gelitten? Etliche van Goghs sind nicht von van Gogh, Rembrandts Bilder sind nicht alle von Rembrandt, und ich wäre sehr überrascht, wenn jeder Picasso ein Picasso wäre. Ich weiß nicht, ob ich ein Fälscher bin, das hängt von der Definition ab wie alles im Leben. Immerhin stammen die bekanntesten Bilder Eulenböcks, alle Werke, auf denen sein Ruhm beruht, von ein und demselben Urheber: nämlich mir. Aber stolz bin ich nicht darauf. Ich habe meine Meinung nicht geändert: Ich bin kein Maler. Dass meine Gemälde in Museen hängen, beweist nichts gegen die Museen und nichts zugunsten meiner Bilder.
Alle Museen sind voll von Fälschungen, na und? Die Herkunft von allem und jedem in dieser Welt ist unsicher, bei der Kunst ist kein Zauber im Spiel, und keines Engels Flügel hat die großen Werke gestreift. Dinge der Kunst sind Dinge wie alle anderen: Manche sind äußerst gelungen, aber keines stammt aus einer höheren Welt. Dass einige mit dem Namen dieses oder jenes Menschen verknüpft sind, dass einige teuer verkauft werden und andere billig, dass einige weltbekannt sind und die meisten nicht, das unterliegt vielen Kräften, aber keine davon ist überirdisch. Und auch Fälschungen müssen nicht gelungen sein, um ihren Zweck zu erfüllen: Perfekte Nachahmungen können entlarvt, unvollkommene aufgehängt und bewundert werden. Fälscher, die stolz auf ihre Arbeit sind, überschätzen genau wie alle Laien die Bedeutung des soliden Könnens: Handwerk kann jeder lernen, der nicht ganz ungeschickt ist und sich bemüht. Es hat schon seine Richtigkeit, dass es in der Kunst an Bedeutung verlor, es hat Sinn, dass die Idee hinter dem Werk wichtiger wurde als dieses selbst; Museen sind sakrale Institutionen, die sich überholt haben, das sagt die Avantgarde seit langer Zeit und seit langer Zeit zu Recht.
Aber Städtebesucher wollen ja irgendwohin gehen, wenn die Nachmittage lang sind, und ohne Museen blieben viele Seiten in den Reiseführern leer. Da es Museen geben muss, müssen sie auch etwas ausstellen, und das muss ein Ding sein, kein Gedanke, ebenso wie Sammler nun mal etwas aufhängen wollen, und aufhängen kann man Bilder besser als Ideen. Zwar hat einmal ein ironisch kluger Geist ein Urinal ins Museum gestellt, um die Institution zu verspotten und das heilige Getue und die Kunstfrömmigkeit, doch er wollte auch Geld und Ehre, und vor allem wollte er bewundert werden auf die alte Art, und so steht eine Replik des Originals noch immer auf ihrem Sockel, umgeben von heiligem Getue und Kunstfrömmigkeit. Obwohl die Theorie vom überholten Museum richtig ist, hat das Museum gewonnen, das Urinal wird bestaunt, und nach der Theorie fragen nur mehr Studenten im zweiten Semester.
Oft denke ich an die Künstler des Mittelalters. Sie signierten nicht, sie waren Handwerker, die Gilden angehörten, sie waren verschont von der Krankheit, die man Ehrgeiz nennt. Kann man es noch machen wie sie, kann man arbeiten, ohne sich wichtig zu nehmen – malen, ohne Maler zu sein? Anonymität hilft nicht, das ist nur ein schlaues Versteck, nur eine andere Form der Eitelkeit. Doch malen in eines anderen Namen, das ist eine Möglichkeit, das funktioniert. Und was mich jeden Tag von neuem wundert: Ich bin glücklich dabei.
Die Idee kam mir schon am dritten Tag. Heinrich schlief neben mir, das Meer warf seine Lichtreflexe an die Decke, und mir fiel ein, wie ich aus ihm einen berühmten Maler machen könnte. Was ihn auszeichnete, was ihm fehlte, was ich zu tun vermochte, das stand mir klar vor Augen. Er würde sich gut im Fernsehen und auf Magazinfotos machen, er würde blendende Interviews geben. Das einzige Hindernis waren die Bauernhäuser.
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