Fabelheim: Roman (German Edition)
langen, federnden Schritten auf sie zu gelaufen. Seth konnte spüren, wie der Boden unter ihnen vibrierte, als Hugo näher kam. Die Sicheln noch immer fest gepackt, blieb der riesige Golem vor Dale stehen. Er überragte ihn bei weitem.
»Ist der aus Schlamm gemacht?«, fragte Seth.
»Erde, Ton und Stein«, sagte Dale. »Ein mächtiger Zauber haucht ihm so etwas Ähnliches wie Leben ein. Hugo wurde dem Reservat vor etwa zweihundert Jahren geschenkt.«
»Wie groß ist er?«
»Fast drei Meter, wenn er aufrecht steht. Meistens lässt er sich ein bisschen hängen, und dann sind es eher zwei Meter fünfzig.«
Seth beäugte den Koloss. Seiner Gestalt nach sah er eher einem Affen ähnlich. Abgesehen von seiner beeindruckenden Größe war Hugo breit, mit dicken Gliedmaßen und überproportional großen Händen und Füßen. Aus seinem irdenen Körper sprossen Grasbüschel und hie und da ein Löwenzahn. Er hatte einen rechteckigen Kopf mit kantigem Kinn. Grobe Züge ähnelten Nase, Mund und Ohren. Die Augen waren zwei leere Höhlen unter einer vorspringenden Stirn.
»Kann er reden?«
»Nein. Manchmal versucht er zu singen. Hugo, sing uns ein Lied!«
Der breite Mund begann sich zu öffnen und zu schließen, und eine Abfolge rauer Brüller, einige lang, andere kurz, kamen heraus. Das Getöse hatte nur wenig Ähnlichkeit mit Musik. Hugo neigte den Kopf vor und zurück, als bewege er sich zu der Melodie. Seth hatte alle Mühe, nicht laut loszulachen.
»Hugo, hör auf zu singen.«
Der Golem verfiel wieder in Schweigen.
»Der singt aber nicht besonders gut«, bemerkte Seth.
»Er ist ungefähr so musikalisch wie ein Erdrutsch.«
»Ist es ihm peinlich?«
»Er denkt nicht so wie wir. Er ist niemals glücklich oder traurig oder wütend oder gelangweilt. Er ist wie ein Roboter. Hugo gehorcht einfach Befehlen.«
»Kann ich ihm befehlen, irgendetwas zu tun?«
»Wenn ich ihm die Anweisung gebe, dir zu gehorchen«, sagte Dale. »Anderenfalls hört er nur auf mich, Lena und deine Großeltern.«
»Was kann er sonst noch tun?«
»Er ist sehr geschickt. Er führt alle möglichen handwerklichen Arbeiten durch. Es würde ziemlich viele Leute brauchen, um all die Arbeit zu erledigen, die er hier tut. Hugo schläft nie. Wenn man ihm eine Liste von Aufgaben gibt, arbeitet er die ganze Nacht hindurch.«
»Ich will ihm sagen, dass er etwas tun soll.«
»Hugo, leg die Sensen weg«, sagte Dale.
Der Golem legte die Sensen auf den Boden.
»Hugo, das ist Seth. Hugo, gehorche Seths nächstem Befehl.«
»Jetzt?«, fragte Seth.
»Sag zuerst seinen Namen, damit er weiß, dass du ihn ansprichst.«
»Hugo, schlag ein Rad.«
Hugo streckte die Hände aus und zuckte die Achseln.
»Er weiß nicht, was du meinst«, sagte Dale. »Kannst du ein Rad schlagen?«
»Ja.«
»Hugo, Seth wird dir zeigen, wie man ein Rad schlägt.«
Seth hob beide Hände, nahm Anlauf und schlug ein Rad. »Hugo«, sagte Dale, »gehorche Seths nächstem Befehl.«
»Hugo, schlag ein Rad.«
Der Golem hob die Arme, taumelte zu einer Seite und machte ein unbeholfenes Rad. Der Boden zitterte.
»Ziemlich gut für den ersten Versuch«, meinte Seth.
»Er hat dich nachgeahmt. Hugo, wenn du ein Rad schlägst, musst du deinen Körper gerade halten und die Anfangsrichtung genau einhalten. Hugo, schlag ein Rad!«
Diesmal legte Hugo ein fast perfektes Rad hin. Seine Hände hinterließen Abdrücke auf dem Feld. »Er lernt schnell«, rief Seth.
»Zumindest alles, was mit Bewegung zu tun hat.« Dale stemmte die Hände in die Hüften. »Ich bin es leid, zu gehen. Was würdest du dazu sagen, wenn wir uns von Hugo zu unserem nächsten Ziel bringen lassen?«
»Wirklich?«
»Wenn du lieber zu Fuß gehen willst, können wir auch...«
»Auf keinen Fall!«
Kendra musste eine Säge benutzen, um den nächsten Kürbis von der dicken Ranke zu schneiden. Lena schnitt derweil einen großen roten ab. Die Kürbisse nahmen fast die Hälfte des Gewächshauses ein, große und kleine, weiße, gelbe, orangefarbene, rote und grüne.
Sie hatten das Gewächshaus über einen kaum erkennbaren
Pfad durch die Wälder erreicht. Neben den Kürbissen und anderen Pflanzen gab es auch noch einen Generator, der die Lampen mit Strom versorgte.
»Müssen wir wirklich dreihundert abschneiden?«, fragte Kendra.
»Sei froh, dass du sie nicht verladen musst«, erwiderte Lena.
»Wer macht das?«
»Das ist eine Überraschung.«
»Sind Kürbislaternen wirklich so effektiv?«
»Ob sie funktionieren? Recht
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