Fabelheim: Roman (German Edition)
und ließ seinen Arm dann nach vorne schnellen. Der Kürbis schoss wie ein Diskus in den Himmel. Dale stieß einen leisen Pfiff aus, als der Kürbis in der Ferne immer kleiner wurde und schließlich außer Sicht geriet, nur noch ein orangefarbener Fleck, der hinter den Baumwipfeln verschwand.
»Hast du das gesehen?«, rief Seth. »Er ist besser als jeder Kugelstoßer!«
»Ein richtiggehendes Katapult«, murmelte Dale.
»Sehr beeindruckend«, pflichtete Lena ihnen trocken bei. »Verzeiht mir, wenn ich hoffe, einige unserer Kürbisse einer praktischeren Verwendung zuführen zu können. Ihr Jungs helft uns den Rest unserer Ernte abzuschneiden, damit wir sie füllen können.«
»Kann Hugo nicht noch ein paar Kunststücke vorführen?« , bettelte Seth. »Er kann ein Rad schlagen.«
»Für Unsinn werden wir später noch genug Zeit haben«, versicherte ihm Lena. »Wir müssen unsere Vorbereitungen für heute Abend abschließen.«
KAPITEL 10
Mittsommernacht
O pa stocherte mit einem Schüreisen im Kamin. Eines der Holzscheite barst, und ein Funkenregen stieg in den Kamin auf. Dale schenkte sich eine Tasse dampfenden Kaffee ein und schaufelte drei Löffel Zucker hinein. Lena spähte durch die Fensterläden nach draußen.
»Die Sonne wird gleich untergehen«, verkündete sie.
Kendra saß neben Seth auf dem Sofa und beobachtete, wie Opa das Feuer schürte. Die Vorbereitungen waren in vollem Gang. In den Eingängen des Hauses hingen und standen bereits jede Menge Kürbislaternen. Lena hatte Recht gehabt – Dale hatte mehr als zweihundert Kürbisse ausgehöhlt. Nicht ganz dreißig Feen hatten sich zum Dienst gemeldet, viel weniger, als Opa erwartet hatte, selbst angesichts der momentan angespannten Beziehungen.
Acht von den Feenlaternen waren auf dem Dach vor dem Dachboden platziert worden, vier an jedem Fenster. In den übrigen Kürbissen befanden sich je zwei Leuchtstäbe. Opa Sørensen bestellte sie offensichtlich kistenweise.
»Wird es gleich nach Sonnenuntergang losgehen?«, fragte Seth.
»Die Dinge werden erst richtig in Gang kommen, wenn die Dämmerung vorüber ist«, antwortete Opa und stellte das Schüreisen neben den Kamin. »Aber für euch Kinder ist an der Zeit, euch in euer Zimmer zurückzuziehen.«
»Ich will mit dir aufbleiben«, sagte Seth.
»Das Schlafzimmer auf dem Dachboden ist der sicherste Ort im Haus«, entgegnete Opa.
»Warum bleiben wir dann nicht alle auf dem Dachboden?« , fragte Kendra.
Opa schüttelte den Kopf. »Die Zauber, die den Dachboden schützen, funktionieren nur, wenn Kinder darin sind. Ohne Kinder, oder wenn Erwachsene mit im Raum sind, verlieren die Barrieren ihre Wirkung.«
»Ist nicht eigentlich das ganze Haus sicher?«, wollte Kendra wissen.
»Ich glaube, ja, aber in einem Zauberreservat ist nichts jemals gewiss. Ich mache mir Sorgen, weil sich heute Nachmittag so wenige Feen gemeldet haben. Ich fürchte, es wird eine besonders wilde Mittsommernacht werden. Vielleicht die schlimmste, seit ich hier lebe.«
Ein langgezogenes, klagendes Heulen unterstrich Opa Sørensens Bemerkung. Ein weiteres Heulen erschallte, lauter und näher; es endete in einem Gackern. Kendra bekam eine Gänsehaut.
»Die Sonne ist untergegangen«, meldete Lena vom Fenster aus. Sie kniff die Augen zusammen und schlug sich eine Hand auf den Mund. Lena verriegelte die Fensterläden und trat zurück. »Sie kommen bereits in den Garten.«
Kendra beugte sich vor. Lena wirkte tatsächlich beunruhigt. Sie war sichtlich blass geworden. Ihre dunklen Augen sahen bestürzt aus.
Opa runzelte die Stirn. »Probleme?«
Sie nickte.
Opa klatschte in die Hände. »Auf den Dachboden mit euch.«
Die Anspannung im Raum hinderte Kendra daran, zu
protestieren, und Seth schien es genauso zu gehen. Opa Sørensen folgte ihnen die Treppe hinauf durch die Diele und in ihr Schlafzimmer.
»Deckt euch zu«, sagte er.
»Was ist das, das da bei den Betten liegt?«, fragte Seth und untersuchte den Boden.
»Kreise aus besonderem Salz«, antwortete Opa. »Eine zusätzliche Schutzmaßnahme.«
Kendra stieg sorgfältig über das Salz, schlug die Decken auf und stieg ins Bett. Die Laken fühlten sich kühl an. Opa reichte ihr zwei kleine, schwammähnliche Zylinder.
»Ohrenstöpsel«, sagte er und gab Seth auch ein Paar davon. »Ich schlage vor, ihr steckt sie euch in die Ohren, damit ihr schlafen könnt.«
»Man stopft sie sich einfach in die Ohren?«, fragte Seth, während er einen der Stöpsel argwöhnisch beäugte.
»Dafür
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