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Fabula

Fabula

Titel: Fabula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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wollen, einfach so? Danny, Dogs«, Danny, der Ehemann von Soozie Sutcliffe-Darcy; Danny, sein kleiner Bruder: zurückgekehrt?
    Colin verstand die Welt nicht mehr.
    »Als er erfahren hat, dass sie verschwunden ist, hat er den nächsten Flug genommen.«
    »Er ist nach Ravenscraig gekommen?«
    Die Stimme, die er hörte, schien von ganz weit her zu ihm durchzudringen. »Ja.«
    »Sind Sie sicher?« Was für eine dumme Frage.
    »Ich habe mit ihm gesprochen, natürlich bin ich mir sicher.«
    Colin Darcy schaute zum Fenster hinaus.
    Es regnete noch immer, ein leichter warmer Nieselregen, wie er typisch ist für den englischen Sommer. Es roch, als seien die Hitze und der Staub des Tages nichts weiter als ein Traum gewesen. Colin dachte wieder an den seltsamen Vogel mit dem gelben Band im Schnabel. Das Lied wisperte ihm im Kopf herum wie ein Echo, das er nicht mehr loswerden konnte.
    Come tie a yellow ribbon round the ole oak free,
    Just foryou and me.
    »Colin?«, hörte er Miss Robinsons Stimme.
    Doch der Angesprochene schwieg.
    Er schaute müde aus dem Fenster und atmete die warme Regenluft ein, während ihm Haare und Kleider am Leib klebten und ihn langsam frieren ließen - trotz der schwülen Wärme der seltsam schicksalsträchtigen Sommernacht.
    Erinnerungen kehrten zurück, einfach so.
    Ungefragt.
    Und ungewollt.
    Tie a yellow ribbon round the ole oak free.
    Helen Darcy war verschwunden, Helen Darcy, die alle Wahrheiten des Lebens so kunstvoll ins Gegenteil hatte verdrehen können, dass jedermann ihr bereitwillig Glauben geschenkt hatte.
    Womöglich war ihr wirklich etwas zugestoßen. Konnte das sein?
    Während Miss Robinson auf ihn einredete und ihm berichtete, was geschehen war, musste er seltsamerweise weder an den Tod seines besten Freundes denken noch an seinen Bruder, sondern an die erste Lüge, die Helen Darcy ihm jemals erzählt hatte, eine Lüge, die nicht weniger als eine wahre Geschichte gewesen war in den Augen seiner Mutter und die, dieser Gedanke kam ihm, wenn auch nur kurz, vielleicht etwas mit all den anderen Dingen zu tun haben mochte, die gerade passierten.
    »Du warst die längste Sturzgeburt in der Geschichte des Krankenhauses.« Ja, genau das waren ihre Worte gewesen. Er kannte die Geschichte auswendig, und die Stimme Miss Robinsons ließ ihn an die stillen Tage seiner Kindheit im Süden Schottlands denken.
    Ravenscraig.
    Dunkel, unheimlich, fast schon vergessen.
    Stranraer.
    Gewaltige Fährschiffe, die nach Irland übersetzten. Die Burgruine mitten im Ort. Touristen, Pubs mit klingenden Namen, Fish&Chips-Restaurants, Postkarten und fast großstädtisches Gedränge in den Sommermonaten.
    Portpatrick.
    Melodien wie die Gischt der See. Ein Ort, der immer schon so gewesen sein mochte, wie er heute war.
    Colin versuchte sich das Gesicht seiner Mutter vorzustellen, doch was er sah, war ein altmodisch eingerichteter Kreißsaal.
    »Sie waren wirklich dort«, hatte Helen Darcy immer betont. »Die Krankenschwester hat sie gesehen.«
    »Man hat sie entlassen, weil sie verrückt war«, hatte Colin dann entgegnet. Soweit er informiert war, hatte man die Krankenschwester in eine geschlossene Anstalt eingewiesen.
    der Leadsänger von »Dylan's Danny war nach Ravenscraig
    »Es war so heiß, damals.« Sie liebte es, »damals« zu sagen. »Das waren noch andere Sommer, damals.« Damals war alles anders gewesen. Die Sommer waren heißer und die Winter kälter gewesen. Die Männer waren galanter und die Musik besser gewesen. »Dein Vater ist gefahren wie der Wind. Bis nach Stranraer sind wir gefahren, weil dort die Spezialisten waren.« Sie hatte ihm an dieser Stelle der Geschichte immer über den Kopf gestreichelt. »Wir wollten eben schon immer nur das Beste für dich. Und für deinen Bruder natürlich auch.«
    »Danny war eine Hausgeburt.«
    »Nun ja, ich war erfahrener.« Sie hatte am Tee genippt, vornehm und gesittet, und immer gelächelt, wie sie es eben tat, wenn sie eine Geschichte zum Besten gab. »Wir sind rechtzeitig angekommen.« Später hatte sich auch Danny die Geschichte anhören müssen. »Das Krankenhaus war das beste in den Rhinns, damals. Man konnte das Meer riechen und die Kutter und die Fähren hören, wenn das Fenster offen war.«
    Für Colin Darcy war das Krankenhaus schon immer ein mythischer Ort gewesen.
    Die Geschichte, die seine Mutter ihm so oft erzählt hatte, war immer dieselbe gewesen. Sie variierte nie und nahm nie andere Wendungen.
    Helen Darcy kannte sich aus im Spinnen von Lügen, so

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