Fabula
die so aussah wie damals, als Colin ein kleiner Junge gewesen war, und Archibald Darcy, der wie der junge Rock Hudson angezogen war, die Szene aus dem Film Giganten nachgespielt, in der die Familie an Thanksgiving beisammensitzt und man den Kindern offenbart, dass Pedro, der Truthahn, das Abendessen ist.
Colin Darcy war aufgeschreckt aus diesem unruhigen Traum, der mit der Musik von Mantovani unterlegt war, und hatte festgestellt, dass bereits der Morgen graute, Er dachte an Hunderte Dinge gleichzeitig.
An Arthur Sedgwick, dessen Frau Mary, an Seiina, die kleine Tochter der beiden. Dann an seine Mutter und seinen Bruder, und die erste konkrete Sorge dieses zweifelsohne schrecklich werdenden Tages galt seltsamerweise der banalen Frage, was Danny Darcy wohl nach Ravenscraig zurückgetrieben hatte.
Miss Robinson hatte ihm gesagt, Danny habe sie angerufen.
Angerufen?
Warum, in aller Welt, hätte Danny dort anrufen sollen?
Colins Bruder war schon vor Jahren abgehauen und hatte sich seit der Beerdigung ihres Vaters nicht ein einziges Mal gemeldet.
Müde sprang Colin unter die Dusche, zog sich bequeme Sachen an und packte vorsichtshalber den Koffer für Portpatrick. Er musste dort noch ein Hotel oder eine Pension finden, was um diese Jahreszeit ein Problem sein konnte.
In den Sommermonaten strömten Unmengen von wanderlustigen Touristen und Vogelkundlern in die Rhinns of Galloway. Natürlich hätte Colin auch in Ravenscraig übernachten können, doch eher hätte er in einer stürmischen Nacht an den Klippen von Corsewall Point gezeltet, als nun sein altes Zimmer zu beziehen.
In die etwas abgelegene Gegend im Süden Schottlands zurückzukehren sollte für den Anfang ausreichen, man musste es ja nicht gleich übertreiben und wieder dort einziehen, wo man so bereitwillig ausgezogen war.
Meine Güte, er wollte wirklich dorthin zurückkehren? Ja.
Er hatte schon einen Flug gebucht.
»Was passiert nur mit mir?«, fragte er in die leere Wohnung hinein und bekam natürlich keine Antwort. Stattdessen pfiff erneut solch ein seltsamer Vogel sein Lied, irgendwo drüben im Park, sogar bei Regen und zu dieser frühen Stunde.
Colin ging ins Wohnzimmer.
Ein Blick auf den Anrufbeantworter zeigte ihm, dass Shila sich nicht gemeldet hatte.
Gut so!
Dafür aber das Büro.
Schlecht, ganz schlecht!
Wie schon am Abend zuvor hatte Colin auch jetzt das Gefühl, dass das Leben, das er sich in London aufgebaut hatte, unter seinen Händen zu Asche zerfiel.
Er rief Rachel im Büro an.
Rachel Duncan war die treue Seele des Lehrstuhls, diejenige, die alles zusammenhielt, und darüber hinaus war sie eine der wenigen Frauen in den Vierzigern, deren Haar schon ergraut war und die es sich dennoch nicht nehmen ließ, ihr Haar auch genau so zu tragen.
»Hier ist die Hölle los«, sagte sie gleich zu Anfang, und dann fragte sie: »Wann können Sie da sein?«
Colin sagte es ihr.
Die Tatsache, dass er nur bis zum Mittag bleiben wollte, begeisterte sie nicht unbedingt.
»Randall hat nach Ihnen gefragt.«
Auch das noch!
»Die Präsentation läuft seit einer halben Stunde, und Randall ist auch anwesend.«
»Verdammt.«
Das hatte noch gefehlt.
Peter Randall war der Amerikaner in der Beratergruppe. Er entstammte einer alten Bostoner Familie und war stolz auf seine knorrigen englischen Wurzeln, die er bis zur Restaurationszeit und Cromwell zurückverfolgen konnte. Er hatte im Frühjahr sein sechzigstes Lebensjahr vollendet, doch mit dem schneeweißen Haar und dem stechenden Blick seiner makellos blauen Augen lehrte er jeden das Fürchten, der seine Pläne durchkreuzte. Er war ein Mann wie Charlton Heston, und man munkelte, dass seine Familie über ausgezeichnete Beziehungen verfüge bis hin zu den Kennedys.
Vor zehn Jahren war er vom MIT nach London gewechselt und war nun mit der Planung und Koordination der Beratertätigkeit betraut. Er war der regierende Chef von Thames Consulting, die eng mit den Lehrstühlen der London Business School zusammenarbeitete und zehn Räume im B-Flügel belegte.
Alles in allem war es für niemanden von Vorteil, wenn Peter Randall schlechter Laune war. Und heute schien einer dieser Tage zu sein, an denen er ungehalten reagieren könnte.
»Die SigmaCom-Leute sind ganz durcheinander.«
Wer ist das nicht?, dachte Colin.
»Geht es um die Klage?«, fragte er.
»Es geht um alles. Die komplette Strategie wird in Frage gestellt.«
Mist!
Colin spürte, wie Kopfschmerzen in seiner Schläfe geboren wurden. Er
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