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Fabula

Fabula

Titel: Fabula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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Antwort.
    Livia sagte: »Aha! Und ihr glaubt, dass dies der richtige Weg ist, um schneller zu Madame Redgrave zu gelangen?«
    Colin nickte zögerlich. »Es ist einen Versuch wert, oder?« Wenn es funktionieren würde, dann wäre es mit Sicherheit ein schnellerer Weg als die A77 mit dem Rover zur Hauptverkehrszeit. »Wir haben uns damals immer vorgestellt, dass die Mondmoore eine Art Hintertür nach Rio Bravo sind.«
    In der Vorstellung der Jungs waren sie wirklich eine Hintertür gewesen, durch die alle möglichen Dinge nach Rio Bravo hätten dringen können. Deswegen hatten sie auch solche Angst vor diesem Ort gehabt. Deswegen hatten sie ihn gemieden. Die Mondmoore waren eine Stelle, an der die Grenze zwischen Rio Bravo und dem Rest der Welt ein wenig dünner war als anderswo.
    »Wir haben daran geglaubt. Und da hier fast alles nur auf dem Glauben, den wir haben oder hatten, basiert, könnte es doch sein, dass es wirklich so ist.«
    »Hat dir mal jemand gesagt, dass du manchmal sehr seltsam wirkst?«
    Colin schüttelte den Kopf. »Nun ja, nein.«
    »Dann wollten sie alle nur nett sein.«
    Er zog ein Gesicht.
    »Und, Danny, du glaubst auch, dass uns die Mondmoore nach Culzean Castle bringen?«
    Danny zuckte die Achseln, »Irgendwohin werden sie euch bringen, das ist klar.«
    Denn wenn die dünne Stelle in einer Richtung durchschritten werden konnte, dann wohl auch in der anderen.
    Something wicked this way comes.
    Die Textzeile ließ Colin nicht los.
    Vielleicht waren damals die Schergen ihrer Mutter durch die dünne Stelle geschlüpft?
    Wer wusste das schon?
    Livia klatschte in die Hände und erhob sich von ihrem Platz am Feuer. Sie streckte sich und sagte: »Worauf warten wir dann noch?« Sie zog sich das Tuch vom Kopf und band die Haare erneut damit nach hinten. »Wir sollten keine Zeit verlieren.«
    Colin erhob sich ebenso, Danny folgte ihm.
    Sie schlugen sich beide den Staub von den Hosen.
    Und Colin fragte sich, wer Livia wirklich war.
    Er sah in ihr noch immer das Friedhofsmädchen von einst, doch das, was sie ihm eben offenbart hatte, konnte sie unmöglich wissen, wenn ihr keine wirklich außergewöhnliche Rolle in diesem Spiel zukam. Ein Geheimnis umgab sie und machte sie, das musste er sich eingestehen, noch attraktiver, als sie es ohnehin schon war.
    Er sah sie an, und wie immer, wenn er das tat, erblickte er eine wunderschöne Frau, und er konnte nicht verstehen, dass er mittlerweile in einem Alter war, in dem die Männer sich nach Mädchen umdrehten, die noch halbe Kinder waren. Colin hatte keine Ahnung, warum er gerade jetzt, mitten in Rio Bravo, daran denken musste, aber die meisten seiner Kollegen an der London Business School hatten mittlerweile Freundinnen, die nicht selten fast als ihre Töchter hätten durchgehen können. Das war der Trend im London-Leben, wie seltsam.
    »Wie weit ist es bis zum Canyon?«, wollte Livia wissen und riss Colin damit aus seinen Grübeleien.
    »Zwei Meilen, vielleicht drei, auf jeden Fall aber zu weit, um den Weg zu Fuß zurückzulegen«, antwortete Danny. »Wir können den Wagen nehmen.«
    »Den Wagen?«
    Danny grinste. »Ich sagte doch, dass ich gemeinsam mit dem Rover hergekommen bin.«
    Die Frage war also beantwortet und eines der vielen Probleme, die gerade Schlange standen, gelöst.
    Sie nahmen Dannys grünen Rover, der bei den Ställen wartete.
    »Meine Güte, ihr Darcys habt wirklich eine Vorliebe für grüne Rover.«
    Danny lachte. »Unser Vater hat einen gefahren.«
    »Ja«, murmelte Colin und dachte an Archibald Darcy und die Kindheit, die Danny und er gehabt hatten.
    Es hatte auch schöne Momente gegeben, so viele, dass er ganze Zimmer mit den Bildern davon tapezieren konnte. Angelausflüge zu den Lochs im Osten, ruhige Stunden, in denen Archibald ihnen alle möglichen Dinge erklärt hatte. Selbst Helen Darcy war manchmal eine fürsorgliche Mutter gewesen, die schöne Geschichten zu erzählen wusste.
    Aber nachdem Danny und er älter und älter geworden waren und mit den Jahren eigene Meinungen entwickelt hatten, waren diese schönen Momente immer seltener geworden.
    Schließlich waren sie ganz verschwunden - so konnte es einem ergehen.
    Alexander Archibald Darcy, der reiche Kunsthändler, war in der Hinsicht jedenfalls ein guter Vater gewesen, irgendwie. Ihm verdankten die beiden Jungs einen Haufen wunderbarer Augenblicke und Gedanken. Durch ihn waren sie der Natur nahegekommen. Durch ihn hatten sie aber auch gelernt, was ein richtiger Mann niemals tun

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