Fabula
war und das irgendwie alles veränderte, sogar hier in Rio Bravo.
Dann folgte er Livia in den Kirkcolm-Canyon.
Ein kühler Wind wehte hier drinnen.
Zu beiden Seiten erhoben sich die Felswände fast senkrecht in die Höhe, und der Himmel war nur ein schmaler Streifen, hoch oben. Einige Striche, die Geier sein würden, sähe man genauer hin, kreisten dort oben, und ihre Schreie, die rau und guttural waren, hallten weithin über die Ebene, die tief im Canyon liegen mochte.
»War Danny damals in Colorado!«, fragte Livia, und ihre Stimme fand ein leises Echo in dem Canyon.
Colin musste lachen. »Du kennst den Film ja wirklich.«
»Ich sagte dir doch, dass mein Vater die alten Western gemocht hat.«
»Nein«, gab er zu, »Danny hat sich gern als Dude gesehen.«
Das waren die Namen der Helden in dem Film gewesen.
»Und du?«
»Ich war John T. Chance.« Er warf ihr einen schnellen Blick zu. »Jetzt lach mich nicht aus, ja?!«
Sie schmunzelte. » John T. Chance und Dude gegen die Burdettes.«
»Genauso war es.«
Hier, im Canyon, konnte man spüren, dass es so gewesen war. Jahre entfernt. In einem anderen Land.
»Und heute? Chance und Dude gegen Helen Darcy?«
»Sieht wohl so aus.«
»Was ist mit mir? Bin ich Feathers ? Hey, ich fand Angie Dickinson toll.«
Colin lachte. »Ich auch.«
Livia grinste. »Okay, bin ich also Feathers.«
»Na, besser als Stuinpy.«
Sie gab ihm einen Stups. »Das will ich aber meinen.«
Während sie weitergingen und über Dinge redeten, die nichts mit Helen Darcy oder den anderen Dingen, die Livia ihm vorhin anvertraut hatte, zu tun hatten, öffnete sich der Canyon zu einem Tal. Die Luft wurde kälter, je weiter sie in das Tal vordrangen. Indianische Totems säumten den Weg dort hinein. Es gab Schlangen, das konnte man an den Spuren im Sand erkennen, und Skorpione, die sich unter den großen Steinen verkrochen, wenn sie jemanden nahen hörten.
»Was ist das?«
Hohe Gräser ragten aus den hellen Wassern empor. Es sah wirklich so aus, als sei der silbern scheinende Mond mit dem Moor verwachsen. Selbst die Mondkrater schwammen in der milchigen Brühe, die wie klirrendes Eis und tiefer Schnee roch.
Die Luft an diesem Ort war eisig kalt, und der Atem begann ihnen vor den Gesichtern zu gefrieren.
Livia zitterte am ganzen Leib, je näher sie den Wassern kamen.
»Sag nicht, wir sollen da reingehen«, bibberte sie.
Colin Darcy, der ein wenig ratlos wirkte, nickte nur. »Ich denke, doch. Na ja, ich weiß es nicht genau.«
Livia kniete sich vor die Mondmoore.
Sie steckte vorsichtig einen Finger in den Morast und zog ihn gleich wieder heraus.
»Das ist schweinekalt!«
Colin betrachtete die eisig lodernden Mondmoore, die sich bis zum Horizont erstreckten, und fragte sich, welchem spitzen Eissplitter aus seiner oder Dannys Seele diese Gegend hier entsprungen war.
Er stand am Rand der Mondmoore und schaute in die Tiefe, wo er nicht einmal sein Gesicht entdecken konnte. Er musste an die Themse denken und sein Leben in London. War dies die Welt, wie sie aussehen mochte, wenn er das Leben nur mit einem Ort namens Rio Bravo ertragen konnte?
»Etwas ist anders«, hörte er Livia flüstern.
Und er spürte es.
Something wicked.
Es wurde kälter.
This way comes.
Mehr als nur eisig kalt.
Further on up the road.
Als würde die Luft gefrieren.
Down by the river...
Dann sah Colin, was es war, und es war sein eigener Atem, der ihm vor den Augen zu gefrieren schien. Die Oberfläche der Moore war zu Eis erstarrt, und unter dieser Oberfläche waren Gesichter zu erkennen. Sie trieben dahin und starrten durch das Eis empor. Manche hatten nicht einmal mehr Körper, waren nur Köpfe, die an dürren Sehnen durch die Fluten trieben. Es war wie ein Meer aus Leibern und Schädeln, das sich dort gesammelt hatte.
»Da ist Helen«, hörte er Livia keuchen.
Sie trat ganz dicht neben ihn und ergriff seine Hand.
»Scheiße, Colin, sie ist es.«
Er schaute zu der Stelle, die ihre zitternde Hand meinte.
Ja, verdammt, sie war es.
Helen Darcy, Ehefrau und Mutter, Sherazade und Worthexe, presste ihr Gesicht von unten gegen die Eisschicht und starrte ihren Sohn aus schmalen Augen an.
Colin, du kannst das Eis zerschlagen, wisperten ihre kalten Lippen tonlos.
»Kannst du sie hören?«, flüsterte Colin seiner Begleiterin zu.
Livia nickte nur.
Hallo, wein hübsches Kind, ich sehe, du bist wieder da. Kannst einfach nicht lockerlassen, was? Aber du weißt ja, wie so was endet. Mit einem dicken Bauch und
Weitere Kostenlose Bücher